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Diese Entscheidung

Straßenreinigungsgebühren nach Frontmetermaßstab

VGH Bayern, Urteil vom 14.08.2008 - Az.: 4 B 08.916

Leitsätze:
1. Im Rahmen des Äquivalenzprinzips ist es unbedenklich, wenn die Gemeinden die Straßenreinigungsgebühren nach dem Frontmetermaßstab berechnen. (amtlicher Leitsatz)

2. Die Straßenfrontlänge als die Länge der gemeinsamen Grenze zwischen dem privaten Grundstück und dem Straßengrundstück ist ein geeignetes Kriterium, das Aufschluss über die Höhe des Vorteils geben kann, den das jeweilige Grundstück aus der Sauberhaltung der angrenzenden Straße zieht. (amtlicher Leitsatz)

3. Der Vorteil erstreckt sich nicht auf die Reinigungsleistung eines bestimmten Teils des Straßengrundstücks, sondern auf die Reinigung der Straße insgesamt. Es ist daher unerheblich, ob die Grundstücksgrenze einen gradlinigen oder verwinkelten Verlauf nimmt. (amtlicher Leitsatz)

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Volltext

Tenor

In der Verwaltungsstreitsache

...

- Kläger -

gegen

Stadt Würzburg, vertreten durch den Oberbürgermeister, Rückermainstr. 2, 97070 Würzburg,

- Beklagte -

wegen

Straßenreinigungsgebühren;

hier: Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 2. Mai 2007,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 4. Senat, durch die Vorsitzende Richterin am Verwaltungsgerichtshof Dr. Motyl, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Wagner, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Greve-Decker ohne mündliche Verhandlung am 14. August 2008 folgendes

Urteil:

I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 2. Mai 2007 wird abgeändert und erhält in Ziff. I folgende Fassung:

"I. Die Klage wird abgewiesen."

II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 40,60 Euro festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Heranziehung zu Straßenreinigungsgebühren.

Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks FlNr. ... der Gemarkung U. Das bebaute Grundstück ist ein Eckgrundstück, das im Norden an die Straße "D." und im Osten an die R.-Gasse (FlNr. ...) angrenzt. Beide Straßen liegen im Anschlussgebiet der von der Beklagten betriebenen Straßenreinigungsanstalt. Die Grenze zur R.-Gasse verläuft nicht gradlinig, sondern knickt in einem annähernd rechten Winkel ab und verläuft auf etwa 5 m parallel zum D. Von dem Versprung bis nahezu zur Einmündung in das Dürrbachtal sind auf dem städtischen Grundstück FlNr. ... neun Parkplätze eingerichtet. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Lageplan Bezug genommen.

Mit Grundbesitzabgabenbescheid vom 1. Februar 2005 zog die Beklagte den Kläger für das Jahr 2005 und die Folgejahre zu Straßenreinigungsgebühren heran. Für deren Berechnung wurde für die R.-Gasse eine Frontmeterlänge von 33 m zu Grunde gelegt und hierauf basierend die jährliche Gebühr auf 76,56 Euro festgesetzt.

Nach erfolgloser Durchführung des Widerspruchsverfahrens erhob der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht Würzburg mit dem Ziel, den Grundabgabenbescheid insoweit aufzuheben, als von ihm für 2005 und die Jahre ab 2006 Straßenreinigungsgebühren in Höhe von mehr als 13,92 Euro jährlich erhoben werden. Er machte im wesentlichen geltend, er könne in Bezug auf die R.-Gasse nicht in dem festgesetzten Umfang herangezogen werden, denn das Grundstück sei von dieser Straße durch eine Grundstücksmauer und die davor liegenden Parkplätze getrennt; er grenze daher auf der Breite der Pkw-Stellplätze nicht an eine öffentliche Straße an und könne insoweit nicht zu Straßenreinigungsgebühren herangezogen werden.

Mit Urteil vom 2. Mai 2007 hob das Verwaltungsgericht den Bescheid der Beklagten vom 1. Februar 2005 i.d. Fassung des Widerspruchsbescheids der Regierung von Unterfranken vom 4. Dezember 2006 insoweit auf, als für die Straße R.-Gasse eine höhere Gebühr als 64,96 Euro jährlich erhoben wird. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen. Der angefochtene Bescheid sei rechtswidrig, soweit für die R.-Gasse eine höhere Straßenreinigungsgebühr als 64,96 Euro festgesetzt werde. Die von der Beklagten in ihrer Straßenreinigungsgebührensatzung festgelegte Bemessung nach der Straßenfrontlänge sei dem Grunde nach ein taugliches Bemessungskriterium, jedoch habe die Beklagte diesen Maßstab für das klägerische Grundstück nicht zutreffend angewendet. Die Gebührenhöhe sei unzutreffend ermittelt worden, weil die Grundstücksgrenze zur R.-Gasse nicht gradlinig verlaufe, sondern einen Knick aufweise. Der Teil der Grundstücksgrenze, der auf einer Länge von etwa 5 m parallel zur Straße "Dürrbachtal" verlaufe, habe bei der Anwendung des Frontmetermaßstabs nicht berücksichtigt werden dürfen. Hierfür spreche bereits der Sprachgebrauch, wonach mit „Front“ die vordere Seite bezeichnet werde. Der fragliche Teil des Grundstücks gehöre nicht zur vorderen Seite des Grundstücks und dürfe daher bei der Festsetzung der Straßenreinigungsgebühren nicht berücksichtigt werden. Dieses Ergebnis entspreche auch der Rechtsauffassung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach die Länge der Frontmeter Auskunft darüber gebe, welcher Vorteil dem Grundstückseigentümer aus der Sauberhaltung der Straße erwachse. Der Vorteil für den Kläger werde durch den Versprung der Grundstücksgrenze nicht erkennbar größer. Daher verletze der streitgegenständliche Bescheid den Kläger insoweit in seinen Rechten, als für die R.-Gasse mehr als 28 Frontmeter herangezogen worden seien.

Mit der vom Senat zugelassenen Berufung begehrt die Beklagte, das Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg insoweit aufzuheben, als der Klage stattgegeben worden ist. Das Gericht habe sich fehlerhafterweise nicht mit § 3 Abs. 2 der Straßenreinigungsgebührensatzung befasst, der den Begriff der Straßenfrontlänge eindeutig definiere. Danach grenze das Grundstück des Klägers auch im Bereich des Versprungs an die R.-Gasse an. Die Satzungsbestimmung sei durch den weiten Gestaltungsspielraum des Satzungsgebers gedeckt; den Erfordernissen eines Wahrscheinlichkeitsmaßstabs sei ausreichend Rechnung getragen. Auch für den Fall eines winkligen Grenzverlaufs könne der Frontmetermaßstab als typisierende und pauschalierende Regelung herangezogen werden. Derartige Grenzverläufe seien nicht so häufig, als dass der Satzungsgeber gezwungen werde, für solche Besonderheiten bei der Festlegung des Maßstabs eine spezielle Regelung zu treffen.

Der Kläger schließt sich dem angefochtenen Urteil an.

Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die behördlichen Aktenheftungen sowie auf die Gerichtsakten in beiden Rechtszügen Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Berufung, über die im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden kann (§ 125 Abs. 1, § 101 Abs. 2 VwGO), ist begründet und führt zur Abänderung des angefochtenen Urteils. Der Kläger wird nicht dadurch in seinen Rechten verletzt, dass die Beklagte bei der Festsetzung der Straßenreinigungsgebühren für die R.-Gasse eine Frontmeterlänge von mehr als 28 m festgesetzt hat.

Die Höhe der festgesetzten Straßenreinigungsgebühren ist durch das einschlägige Satzungsrecht der Beklagten gedeckt. Nach § 4 Abs. 1 der auf der Grundlage von Art. 51 Abs. 4 BayStrWG erlassenen Verordnung über die Reinhaltung und Reinigung der öffentlichen Straßen und die Sicherung der Gehbahnen im Winter in der Stadt Würzburg (Straßenreinigungs- und -sicherungsverordnung) vom 30. Dezember 1998, zuletzt geändert am 8. Dezember 2006 (im folgenden: StRSV), haben die Eigentümer und die zur Nutzung dinglich Berechtigten von Grundstücken, die innerhalb der geschlossenen Ortslage an öffentliche Straßen angrenzen (Vorderlieger), zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Reinigungspflicht die in § 6 StRSV bestimmte Fläche zu reinigen. Die Beklagte betreibt eine Straßenreinigungsanstalt, die im Anschlussgebiet die Reinigung für die nach § 4 StRSV Verpflichteten wahrnimmt (§ 1 der Satzung über die Straßenreinigung - Straßenreinigungssatzung - vom 5.Oktober 1977, zuletzt geändert am 8. Dezember 2006; im Folgenden: StRS). Nach § 3 StRS sind die zur Reinigung Verpflichteten für die im Anschlussgebiet liegenden Straßen zum Anschluss an die und zur Benutzung der gemeindlichen Straßenanstalt berechtigt und verpflichtet. Die Beklagte erhebt für die Benutzung der öffentlichen Straßenreinigungsanstalt Gebühren (§ 6 StRS) nach Maßgabe ihrer Straßenreinigungsgebührensatzung (StRGS) vom 28. Dezember 2001, zuletzt geändert am 29. Dezember 2005. Bemessungsgrundlage für die Straßenreinigungsgebühr ist nach § 3 Abs. 1 StRGS die auf volle Meter abgerundete Straßenfrontfläche des Grundstücks und die Reinigungsklasse der Straßen, für die eine Verpflichtung zur Benutzung der Straßenreinigungsanstalt besteht. § 3 Abs. 2 Satz 1 StRGS definiert die Straßenfrontlänge als die Länge der gemeinsamen Grenze des Vorderliegergrundstücks mit dem Straßengrundstück.

Entgegen der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts ist bei der Festsetzung der Straßenreinigungsgebühr bei Zugrundelegung der satzungsrechtlichen Definition der Straßenfrontmeterlänge die gesamte Länge der gemeinsamen Grenze zwischen dem Grundstück des Klägers und dem Straßengrundstück FlNr. ... (R.-Gasse) anzusetzen. Unstreitig grenzt das klägerische Grundstück auch in dem parallel zum Dürrbachtal verlaufenden Versprung an das Straßengrundstück FlNr. .... Der eindeutige Wortlaut von § 3 Abs. 2 StRGS, mit dem sich das Verwaltungsgericht nicht auseinandergesetzt hat, lässt insoweit keine andere Auslegung zu.

Die Berücksichtigung der vollen Grundstücksgrenze zur R.-Gasse ist auch bei Anwendung des in § 3 Abs. 1 StRGS festgelegten Frontmetermaßstabs nicht willkürlich und mit dem Äquävalenzprinzip vereinbar. Nach Art. 8 Abs. 4 KAG sind Gebühren nach dem Ausmaß zu bemessen, in dem der Gebührenschuldner die öffentliche Einrichtung (hier: Städtische Reinigungsanstalt) benutzen (Äquivalenzprinzip). Die Gebühren für die Straßenreinigung können nach einem Wahrscheinlichkeitsmaßstab berechnet werden, weil die Bemessung nach dem tatsächlichen Reinigungsaufwand kaum durchführbar, jedenfalls aber mit einem unverhältnismäßigen Aufwand verbunden wäre. Nach gefestigter Rechtsprechung steht dem Ortsgesetzgeber bei der Auswahl des Wahrscheinlichkeitsmaßstabs ein weiter Ermessensspielraum zu. Er muss sich nach herrschender Ansicht nicht für den zweckmäßigsten, gerechtesten oder wirklichkeitsnächsten Maßstab entscheiden (BayVGH vom 4.8.2005 Az. 4 BV 03.1930; vom 27.11.1996 Az. 4 B 95.3257; vom 26.2.1980 VGH n.F. 33, 64/65). Bei der Wahl eines Wahrscheinlichkeitsmaßstabs ist zu beachten, dass er einen einigermaßen sicheren Schluss auf den Umfang der Benutzung zulässt, d.h. er muss einen sachlichen Bezug zum Reinigungsaufwand aufweisen. Nicht entscheidungserheblich ist, ob und in welchem Umfang das jeweilige Grundstück Vorteile aus der Sauberkeit des angrenzenden Straßenabschnitts zieht (BayVGH vom 4.10.1993 Az. 4 B 88.1494). Dem kommunalen Satzungsgeber wird durch Art. 3 Abs. 1 GG bei der Wahl des Gebührenmaßstabs ein weiter Gestaltungsspielraum eröffnet, der erst dann überschritten ist, wenn er nicht mehr durch sachliche Gesichtspunkte gerechtfertigt ist, ohne dass sich aus diesem eine Präferenz für einen bestimmten Gebührenmaßstab ergibt (BVerwG vom 15.3.2002 BayVBl 2003, 252).

Gemessen am Maßstab hat sich die Beklagte beanstandungsfrei für den Frontmetermaßstab entschieden. Trotz gewisser Unzulänglichkeiten im Einzelfall handelt es sich hierbei - wovon auch das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeht - um einen in der Rechtsprechung anerkannten Wahrscheinlichkeitsmaßstab, der an den objektiven Bezug zwischen Grundstück und Straße anknüpft (BVerwG vom 15.3.2002 aaO, m.w.N.; BayVGH vom 15.10.2007 Az. 4 ZB 06.1029; Driehaus, Kommunalabgabenrecht, RdNrn. 473, 698b, 762a zu § 6). Auf diesen Bezug stellt § 3 Abs. 2 Satz 1 StRGS ab, indem er als Straßenfrontlänge die Länge der gemeinsamen Grenze des Vorderliegergrundstücks mit dem Straßengrundstück definiert. Die gemeinsame Grenze zwischen privatem Grundstück und Straßengrundstück ist ein geeignetes Kriterium, das Aufschluss über die Höhe des Vorteils geben kann, den das jeweilige Grundstück aus der Sauberhaltung der angrenzenden Straße zieht (BVerwG vom 15.3.2002 a.a.O.; zum Vorteilsbegriff im Straßenreinigungsrecht siehe Driehaus, KStZ 2008,44/ 46f). Mit der Straßenreinigungsgebühr wird nicht die auf ein bestimmtes Straßenstück bezogenen Reinigungsleistung abgegolten, es geht vielmehr um die Abgeltung des Vorteils, der mit der Sauberhaltung der Straße insgesamt verbunden ist (BayVGH vom 4.10.1993 aaO; HessVGH vom 16.6.1998 5 N 2795/94 [juris RdNr. 53]; OVG Lüneburg vom 20.3.1997 NVwZ–RR 1998, 135; Driehaus, Kommunalabgabenrecht, RdNrn. 474, 698b, 762 zu § 6). Mit seiner am allgemeinen Sprachgebrauch ausgerichteten Interpretation des Begriffs "Frontmeter" wird das Verwaltungsgericht der gesetzlichen Definition der Straßenfrontlänge nicht gerecht. Es legt diesen Begriff zu eng aus, denn die Satzung will jedes Angrenzen an das Straßengrundstück unabhängig davon erfassen, ob die Grenze einen gradlinigen oder wie im Fall des klägerischen Grundstücks einen verwinkelten Verlauf nimmt. Hierbei handelt es sich um einen typisierenden Ansatzpunkt, der praktikabel und rechtlich eindeutig ist. Die Regelung ist durch den weiten Gestaltungsspielraum der Beklagten gedeckt. Darüber hinaus verkennt das Verwaltungsgericht den mit den Straßenreinigungsgebühren abzugeltenden Vorteil, wenn es darauf abstellt, es sei nicht erkennbar, dass durch das "Verspringen" der Grundstücksgrenze der Vorteil aus der Sauberhaltung der Straße nicht größer werden könne. Dieser Ansatz ist fehlerhaft, da sich der Vorteil eben nicht auf die Reinigungsleistung nur eines bestimmten Teils des Straßengrundstücks, sondern auf die Reinigung der Straße insgesamt erstreckt.

Soweit das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben hat, war das Urteil entsprechend abzuändern.

Gemäß § 154 Abs. 1 VwGO trägt der Kläger die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO, § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da kein Zulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.