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Diese Entscheidung

Keine gültige Stimmabgabe durch bloßes Streichen von Kandidaten

VG Weimar, Urteil vom 06.09.2006 - Az.: 6 K 843/06

Leitsätze:
Ein Stimmzettel, auf dem einer von zwei Bewerbern durchgestrichen, der andere jedoch nicht ausdrücklich als gewählt markiert ist, bringt den Willen des Wählers, den nicht gestrichenen Bewerber zu wählen, nicht unzweifelhaft zum Ausdruck und ist daher ungültig. (Leitsatz des Herausgebers)

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Fortgang des Verfahrens: Berufung zugelassen, aber zurückgewiesen durch OVG Thüringen, DRiK Nr. 1595

Volltext

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über das Ergebnis der Bürgermeisterwahlen in Bad Berka.

Am 7. Mai 2006 fanden in Bad Berka die Bürgermeisterwahlen statt. Es standen fünf Kandidaten zur Wahl. Keiner der Kandidaten erhielt mehr als die Hälfte der abgegebenen gültigen Stimmen.

Am 21. Mai 2006 fand eine Stichwahl zwischen den beiden Bewerbern mit den meisten Stimmen, Herrn Volker Schaedel und Herrn Thomas Liebetrau, statt. Die Auszählung ergab, dass auf beide die gleiche Anzahl von gültigen Stimmen entfiel. Bei der Auszählung waren 15 Stimmzettel als ungültig bewertet und daher unberücksichtigt gelassen worden. Daraufhin ermittelte der Wahlausschuss in seiner öffentlichen Sitzung vom 22. Mai 2006 Herrn Thomas Liebetrau durch Losentscheid zum Bürgermeister.

Mit Schreiben vom 30. Mai 2006 focht der Kläger die Bürgermeisterwahlen an. Er machte im Wesentlichen geltend, der Wahlausschuss habe zu viele Stimmzettel als ungültig bewertet.

Auf einem Stimmzettel sei keiner der Bewerber angekreuzt, der Bewerber Liebetrau jedoch eindeutig durchgestrichen worden. Damit ergebe sich zweifelsfrei, dass die Stimme für den Kandidaten Schaedel habe abgegeben werden sollen. Die vorgenommene Streichung hätte den Stimmzettel nicht ungültig gemacht, da das Thüringer Kommunalwahlgesetz in § 19 Abs. 2 Nr. 5 die Streichung einzelner Bewerber ausdrücklich zulasse. Das Wahlergebnis müsse deshalb zugunsten des Bewerbers Schaedel korrigiert werden.

Der Stimmzettel hatte folgenden Inhalt:

[hier nicht wiedergegeben]

Mit Bescheid vom 7. Juni 2006 wies die Kommunalaufsicht des Landratsamtes Weimarer Land die Wahlanfechtung zurück. Zur Begründung führte sie aus, § 19 Abs. 2 Nr. 5 Thüringer Kommunalwahlgesetz könne für die Begründung der Zulässigkeit der vorgenommenen Streichung nicht herangezogen werden, da die Vorschrift nach der Rechtsprechung des Thüringer Oberverwaltungsgerichtes in Fällen wie dem vorliegenden, in dem bei Bürgermeisterwahlen mehrere Wahlvorschläge als gültig zugelassen worden sind, nicht zur Anwendung komme (ThürOVG, Urteile vom 13. November 2001 - 2 KO 437/01 - und 16. Dezember 2003 -2 KO 967/03 -). Die Zulässigkeit der Streichung sei daher danach zu beurteilen, ob der Wählerwille zweifelsfrei erkennbar sei. Das sei hier jedoch nicht der Fall, da nicht eindeutig feststehe, welcher Wahlvorschlag auf dem Wahlzettel habe gekennzeichnet werden sollen.

Am 26. Juni 2006 hat der Kläger Klage erhoben, zu deren Begründung er die bereits im behördlichen Verfahren vorgetragenen Argumente wiederholt und vertieft.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides des Landratsamtes Weimarer Land vom 7. Juni 2006 zu verpflichten, das Ergebnis der Bürgermeisterstichwahl vom 21. Mai 2006 dahingehend zu berichtigen, dass Herr Volker Schaedel zum Bürgermeister gewählt ist.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist weiterhin der Ansicht, dass der in Rede stehende Wahlzettel ungültig sei, weil der Wählerwille nicht mit der vom Gesetz geforderten Unzweifelhaftigkeit zum Ausdruck komme.

Der Wählerwille ergebe sich schon deshalb nicht eindeutig, weil nicht klar sei, ob es sich um einen Vorbehalt gegen den gestrichenen Bewerber Liebetrau oder um ein Votum für den "verbliebenen" Bewerber Schaedel handele. Beide Varianten seien hier zumindest denkbar.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die von dem Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten (1 Heftung), die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen sind, Bezug genommen.

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg.

Sie ist zulässig. Der Durchführung eines Vorverfahrens bedurfte es gemäß § 68 Abs. 1 Satz 2, 1. Alt. Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - in Verbindung mit § 33 Abs. 1 Satz 2 des Thüringer Kommunalwahlgesetzes vom 16. August 1993 (GVBl. S. 530 in der Fassung des Gesetzes vom 25. März 1994, GVBl. S. 358 - ThürKWG -) nicht. Der Kläger hat gegen den Bescheid vom 7. Juni 2006 am 26. Juni 2006 und damit fristgerecht binnen eines Monats Klage erhoben (vgl. § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO ).

Die Klage ist auch unbegründet. Der Bescheid des Beklagten vom 7. Juni 2006 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Bürgermeisterwahl in Bad Berka ist richtig ausgezählt worden, so dass der Kläger keinen Anspruch auf eine Berichtigung des Wahlergebnisses hat.

Nach § 31 Abs. 1 ThürKWG hat die Wahlanfechtung nur dann Erfolg, wenn Bestimmungen des Thüringer Kommunalwahlgesetzes oder der Thüringer Kommunalwahlordnung verletzt sind. Das ist hier nicht der Fall. Die vom Kläger in Bezug auf den in Rede stehenden Stimmzettel erhobenen Einwände greifen nicht durch.

Gemäß § 24 Abs. 6 Satz 1 Halbsatz 2 ThürKWG i.V.m. § 19 Abs. 2 Nr. 4 ThürKWG ist eine Stimmabgabe ungültig, wenn der Stimmzettel den Willen des Wählers nicht zweifelsfrei erkennen lässt. So liegt der Fall hier. Aus dem Stimmzettel ergibt sich nicht zweifelsfrei, dass die Stimmabgabe für den Kandidaten Schaedel erfolgen sollte. Zwar mag dem Kläger zuzugeben sein, dass bei den meisten Wählern, die von zwei möglichen Kandidaten einen auf dem Stimmzettel wegstreichen, davon ausgegangen werden muss, dass dann der verbleibende Kandidat die Stimme erhalten soll. Eine zweifelsfreie Gewissheit lässt sich daraus aber, anders als etwa beim Anstreichen des gewünschten Bewerbers, nicht herleiten. Vom objektiven Erklärungsgehalt des Stimmzettels her ist es vielmehr ebenso gut möglich, dass sich der Wähler auf das bloße Wegstreichen des durchgestrichenen Kandidaten beschränken wollte, um damit etwa zum Ausdruck zu bringen, dass ihm der durchgestrichene Kandidat missfällt oder dieser aus anderen Gründen für die Wahl nicht in Frage kommt, ohne sich damit aber gleichzeitig für den anderen Kandidaten entscheiden zu wollen. Dass sich Wähler bei der Stimmabgabe mitunter auch lediglich auf die Ablehnung eines Kandidaten beschränken, ohne gleichzeitig einen anderen Bewerber positiv zu wählen, verdeutlicht vor allem das Beispiel eines anderen (zu Recht) als ungültig bewerteten Stimmzettels (Bl. 25 der Behördenakte), auf dem beide Kandidaten gestrichen wurden. Vor diesem Hintergrund steht für die Kammer nicht zweifelsfrei fest, dass die Stimme für den Kandidaten Schaedel abgegeben werden sollte.

Lässt sich der Wählerwille aus dem Stimmzettel nicht zweifelsfrei entnehmen, wird dieser Mangel entgegen der Ansicht des Klägers auch dadurch nicht geheilt, dass § 19 Abs. 2 Nr. 5 Halbsatz 2 ThürKWG Streichungen oder Hinzufügungen für grundsätzlich zulässig erklärt.

Denn auch solchermaßen vorgenommene Kennzeichnungen stehen wie jede andere Stimmabgabe auch unter dem Vorbehalt, dass sich der Wählerwille aus ihnen entnehmen lässt. Im Übrigen ist die Vorschrift bei Bürgermeisterwahlen der vorliegenden Art mit mehreren als gültig zugelassenen Wahlvorschlägen auch gar nicht anwendbar (ThürOVG, Urteil vom 13. November 2001 - 2 KO 437/01 - und Urteil vom 16. Dezember 2003 - 2 KO 967/03 -; VG Weimar, Urteil vom 4. April 2001 - 6 K 2341/00.We -). Diese Vorschrift bezieht sich nur auf eine Bürgermeisterwahl nach § 24 Abs. 5 Satz 6 ThürKWG, die dann nach den in § 19 Abs. 1 Satz 3 bis 6 ThürKWG umschriebenen Modalitäten durchgeführt wird.

Der Klage war nach alledem mit der sich aus § 154 Abs. 1 VwGO ergebenden Kostenfolge stattzugeben. Da die Beigeladene keinen Antrag gestellt hat, entsprach es der Billigkeit i.S.d. § 162 Abs. 3 VwGO, sie an dem Kostenausspruch nicht zu beteiligen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.

Die Berufung zum Thüringer Oberverwaltungsgericht war nicht zuzulassen. Ein Grund für die Zulassung der Berufung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 und 4 VwGO i.V.m. § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO lag nicht vor.