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Diese Entscheidung

Nichtigkeit eines Konzessionsvertrags wegen Vereinbarung unzulässiger Nebenleistungen

OLG München, Urteil vom 26.09.2013 - Az.: U 3589/12 Kart

Leitsätze:
Die Vereinbarung nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 KAV unzulässiger Nebenleistungen in einem Konzessionsvertrag führt gemäß § 134 BGB zur Gesamtnichtigkeit des Vertrags. (amtlicher Leitsatz)

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Gründe

Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet.

Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche nicht zu, weil der zwischen ihr und der Gemeinde Nersingen abgeschlossene Konzessionsvertrag nichtig ist und die Beklagte sich auf die Nichtigkeit des Vertrags berufen kann. Die Klägerin ist nicht neues Energieversorgungsunternehmen im Sinne von § 46 Abs. 2 Satz 2 EnWG a. F. geworden. Die Nichtigkeit des neuen Konzessionsvertrags führt auch dazu, dass etwaige vertragliche Ansprüche der Gemeinde nicht wirksam an die Klägerin abgetreten wurden.

I. Der Klägerin stehen keine Ansprüche aus § 46 Abs. 2 Satz 2 EnWG in der bis zum 3. August 2011 geltenden Fassung zu. Diese ist maßgeblich, da der Alt-Konzessionsvertrag Anfang Februar 2010 endete, das Vergabeverfahren für den neuen Konzessionsvertrag mit der Bekanntgabe im Bundesanzeiger am 30.01.2008 eingeleitet wurde und der Neu-Konzessionsvertrag am 04./08.02.2010 geschlossen wurde.

Die Klägerin ist nicht neues Energieversorgungsunternehmen im Sinne von § 46 Abs. 2 Satz 2 EnWG a. F. geworden, weil der von der Klägerin mit der Gemeinde Nersingen geschlossene Konzessionsvertrag wegen Verstoßes gegen § 3 Abs. 2 Nr. 1 KAV gemäß § 134 BGB nichtig ist.

1. Die Wirksamkeit des Konzessionsvertrags ist entgegen der Auffassung der Bundesnetzagentur (Beschluss vom 19.06.2012, Az. BK6-11-079, Anlage K 71) auch im Rahmen des Anspruchs des „neuen Energieversorgungsunternehmens“ aus § 46 Abs. 2 Satz 2 EnWG a. F. gegen den bisherigen Nutzungsberechtigten zu prüfen. Anspruchsinhaber ist nur der wirkliche neue Konzessionsinhaber und nicht ein etwaiger von der Gemeinde als solcher bezeichneter Dritter (so auch OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12.12.2012, Az. VI-3 Kart 137/12 (V), BeckRS 2013, 07754, Anlage B 29). Dies ergibt sich zum einen schon aus dem Wortlaut der Vorschrift, denn nur durch einen wirksamen Vertrag mit der Gemeinde kann ein Unternehmen zum „neuen Energieversorgungsunternehmen“ und somit zum Inhaber des Anspruchs aus § 46 Abs. 2 Satz 2 EnWG a. F. werden. Zum anderen ergibt sich dies auch aus dem Zweck der Regelung, nach dem der wirkliche neue Konzessionsinhabers durch die Übertragung der Verteilungsanlagen in die Lage versetzt werden soll, seinem neuen Versorgungsauftrag nachzukommen, ohne ein neues Verteilungsnetz aufbauen zu müssen. Der nur vermeintliche Konzessionsinhaber benötigt die Verteilungsanlagen nicht und der Übertragungsanspruch des wirklichen Konzessionsinhabers wird durch die Übertragung an einen Dritten als vermeintlichen Konzessionsinhaber gefährdet.

2. Der Verordnungsgeber hat durch Erlass der Konzessionsabgabenverordnung (KAV) von der Ermächtigung zur Regelung der Zulässigkeit und Bemessung von Konzessionsabgaben in § 48 EnWG Gebrauch gemacht und in § 2 KAV Höchstsätze für die zwischen den Gemeinden und den Energieversorgungsunternehmen zu vereinbarenden Konzessionsabgaben festgelegt. Flankierend enthält § 3 KAV ein sog. Nebenleistungsverbot, das abschließend regelt, welche Leistungen neben oder anstelle von Konzessionsabgaben von Versorgungsunternehmen und Gemeinden für einfache oder ausschließliche Wegerechte vereinbart oder gewährt werden dürfen.

In § 3 Abs. 1 Satz 1 KAV ist geregelt, welche Nebenleistungen zulässig sind, und in § 3 Abs. 2 KAV sind nicht zulässige Nebenleistungen beispielhaft durch den Zusatz „insbesondere“ aufgeführt. Gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 1 Halbsatz 1 KAV dürfen sonstige Finanz- und Sachleistungen, die unentgeltlich oder zu einem Vorzugspreis gewährt werden, nicht vereinbart oder gewährt werden. § 3 Abs. 2 Nr. 1 Halbsatz 2 KAV enthält zu diesem speziell geregelten Verbot eine Ausnahme und statuiert, dass Leistungen der Versorgungsunternehmen bei der Aufstellung kommunaler oder regionaler Energiekonzepte oder für Maßnahmen, die dem rationellen und sparsamen sowie ressourcenschonenden Umgang mit der vertraglich vereinbarten Energieart dienen, unberührt bleiben, soweit sie nicht im Zusammenhang mit dem Abschluss oder der Verlängerung von Konzessionsverträgen stehen.

Nach dem Wortlaut der Vorschrift bezieht sich die am Satzende stehende Einschränkung auf den gesamten vorstehenden Halbsatz. Unberührt vom Verbot bleiben sollen bestimmte Leistungen der Versorgungsunternehmen, soweit sie nicht im Zusammenhang mit dem Abschluss oder der Verlängerung von Konzessionsverträgen stehen, nämlich einerseits Leistungen bei der Aufstellung kommunaler oder regionaler Energiekonzepte und andererseits Leistungen für Maßnahmen, die dem rationellen und sparsamen sowie ressourcenschonenden Umgang mit der vertraglich vereinbarten Energieart dienen. Dass sich das Zulässigkeitserfordernis des Fehlens eines Zusammenhangs mit Konzessionsverträgen lediglich auf die Leistungen bei der Aufstellung von Energiekonzepten bezöge, nicht aber auf Leistungen für Maßnahmen der dargestellten Art, ist mit dem Wortlaut des § 3 Abs. 2 Nr. 1 Halbsatz 2 KAV nicht vereinbar.

Gleichwohl wird in der Literatur im Hinblick auf die Entstehungsgeschichte der Norm die Auffassung vertreten, dass sich die Einschränkung der Ausnahme von dem Verbot „soweit sie nicht im Zusammenhang mit dem Abschluss oder der Verlängerung von Konzessionsverträgen stehen“ nur auf „Maßnahmen, die dem rationellen und sparsamen sowie ressourcenschonenden Umgang mit der vertraglich vereinbarten Energieart dienen“ beziehe, nicht aber auch auf „Leistungen der Versorgungsunternehmen bei der Aufstellung kommunaler oder regionaler Energiekonzepte“ (so z. B. Templin, ZNER 2012, 570, 577 m.w.N.). Begründet wird dies damit, dass nach dem ursprünglichen Regierungsentwurf zur KAV nur „Leistungen der Versorgungsunternehmen bei der Aufstellung kommunaler Energieversorgungskonzepte oder für die Beratung für einen rationellen und sparsamen Umgang mit Energie“ von dem Verbot ausgenommen sein sollten (BR-Drucksache 686/91vom 08.11.1991) ohne die Einschränkung, dass dies nicht für Vereinbarungen im Zusammenhang mit dem Abschluss oder der Verlängerung von Konzessionsabgabenverträgen gelten sollte. Erst auf die Initiative des Bundesrates ist dann die Ausnahme von dem Verbot auch auf Leistungen für Maßnahmen, die dem rationellen und sparsamen sowie ressourcenschonenden Umgang mit der vertraglich vereinbarten Energieart dienen, mit der Begründung erweitert worden, dass das Energieversorgungsunternehmen als langfristig versorgungsberechtigtes und versorgungsverpflichtetes Unternehmen entsprechende Leistungen erbringen können muss (vgl. BR-Drucksache 686/1/91 vom 09.12.1991 zu § 3 Abs. 2). Gleichzeitig ist aber vom Bundesrat die Einschränkung der Ausnahme von dem Verbot für Vereinbarungen im Zusammenhang mit dem Abschluss oder der Verlängerung von Konzessionsabgabenverträgen vorgeschlagen worden. Dass sich diese Einschränkung nur auf die nach Auffassung des Bundesrates neu in die Ausnahme mit aufzunehmenden Maßnahmen beziehen sollte, lässt sich der Begründung des Vorschlags nicht entnehmen. Die Begründung geht auf die vorgeschlagene Einschränkung vielmehr nicht gesondert ein. Aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift ergibt sich diese mit dem Wortlaut der Vorschrift unvereinbare Auslegung somit nicht. Motive, die im Gesetzeswortlaut keinen Ausdruck gefunden haben, können die vorrangig am objektiven Sinn und Zweck des Gesetzes zu orientierende Auslegung nicht binden (vgl. BGH NJW 2012, 2958 - Alles kann besser werden Tz. 30).

Auch Sinn und Zweck des Nebenleistungsverbotes des § 3 KAV gebieten keine Auslegung dahingehend, dass unentgeltliche oder zu Vorzugspeisen erbrachte Leistungen der Versorgungsunternehmen bei der Aufstellung kommunaler oder regionaler Energiekonzepte im Zusammenhang mit dem Abschluss oder der Verlängerung von Konzessionsverträgen zulässig sein sollten, sie stehen einer solchen Auslegung vielmehr entgegen. Sinn und Zweck des Nebenleistungsverbots ist es, Wettbewerbsverzerrungen auf dem Markt der Nebenleistungen zu verhindern (vgl. Templin, ZNER 2012, 570, 571; Lehnert/Templin/Theobald, VerwA 2011, 83, 97; BR-Drucksache 686/91 vom 08.11.1991) sowie eine Aushöhlung der Höchstsätze für Konzessionsabgaben des § 2 KAV zu verhindern (vgl. BGH NJW 1996, 3409, 3410), was im Rahmen des Wettbewerbs um die Netze ebenfalls Verzerrungen entgegenwirkt und einen Wettbewerb um die höchsten Unterstützungsleistungen verhindern soll (Albrecht in Schneider/Theobald, Recht der Energiewirtschaft, 4. Aufl., § 9 Rn. 219). Diese Ziele können am besten erreicht werden, wenn Ausnahmen vom grundsätzlichen Nebenleistungsverbot - wie auch generell bei Ausnahmevorschriften geboten - eng ausgelegt werden.

Auch eine Auslegung des § 3 KAV am Maßstab höherrangigen Rechts gebietet nicht etwa eine den Wortlaut erweiternde Auslegung der Ausnahme vom Nebenleistungsverbot dahingehend, dass unentgeltliche oder zu Vorzugspreisen gewährte Leistungen der Versorgungsunternehmen bei der Aufstellung von Energiekonzepten auch im Zusammenhang mit dem Abschluss oder der Verlängerung von Konzessionsverträgen zulässig seien, oder sogar dahingehend, dass dem Umweltschutz dienende Nebenleistungsvereinbarungen grundsätzlich oder zumindest in noch weitergehendem Ausmaß zulässig seien (vgl. dazu Templin, ZNER 2012, 570, 578; Kahl/Schmidtchen, RdE 2012, 1 ff., 8).

In § 1 EnWG ist festgelegt, dass mit dem Gesetz neben der umweltverträglichen auch eine sichere, preisgünstige, verbraucherfreundliche und effiziente Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität bezweckt ist. Weiter hat der Gesetzgeber in § 48 Abs. 2 EnWG dem Verordnungsgeber gestattet, die Zulässigkeit und Bemessung von Konzessionsabgaben zu regeln und Höchstsätze festzusetzen. Dem EnWG mit seinen verschiedenen im Spannungsverhältnis zueinander stehenden Zielen kann nicht entnommen werden, dass Ausnahmen vom Verbot der Nebenleistungen und damit eine Aufweichung der Höchstsätze für Konzessionsabgaben insbesondere im Zusammenhang mit dem Abschluss von Konzessionsverträgen aus Gründen des Umweltschutzes erweiternd auszulegen sind. Entsprechendes ergibt sich auch nicht aus dem allgemeinen verfassungsrechtlichen Gebot des Schutzes der natürlichen Lebensgrundlagen gemäß Art. 20a GG.

Ein Gebot zur erweiterten Auslegung der Ausnahmen vom Verbot der Nebenleistungen ergibt sich auch nicht aus Art. 28 GG. Das Recht zur Selbstverwaltung der Gemeinden besteht gemäß Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG nach Maßgabe der Gesetze. Das Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden wird nicht dadurch verletzt, dass ihnen verboten ist, über die Konzessionsabgaben hinaus für die Vergabe von Wegerechten an öffentlichen Straßen unbegrenzt Nebenleistungen zu fordern. Das Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden umfasst nicht das Recht, sich beliebig neue Einnahmequellen zu verschaffen; vielmehr folgt aus Art. 28 Abs. 2 GG - über das in Satz 3 der Vorschrift Gewährleistete hinaus - keine bestimmte Ausgestaltung des kommunalen Einnahmesystems (vgl. BVerfG NVwZ 2010, 895 Tz. 67). Die Finanzhoheit der Gemeinden wird durch das Nebenleistungsverbot nicht verletzt. Ebenso wenig wird die Planungshoheit der Gemeinde dadurch verletzt, dass sie den Konzessionsnehmer nicht danach aussuchen darf, wer ihr bei Vertragsabschluss die attraktivsten Nebenleistungen anbietet.

3. Ausgehend von dieser Auslegung verstoßen die Vereinbarungen in § 7 Abs. 2-4 des Konzessionsvertrags gegen § 3 Abs. 2 Nr. 1 KAV.

a) Die in § 7 Abs. 2 Satz 1 des Konzessionsvertrags normierte Pflicht der Klägerin, die Gemeinde bei der Erstellung von kommunalen Energiekonzepten zu unterstützen, stellt eine unzulässige Sachleistung im Sinne von § 3 Abs. 2 Nr. 1 KAV dar.

Finanz- und Sachleistungen im Sinne von § 3 Abs. 2 Nr. 1 KAV sind jegliche Leistungen geldwerter oder vermögensrechtlicher Art (Templin ZNER 2012, 570, 574 m.w.N.). Die Pflicht der Klägerin, die Gemeinde bei der Erstellung von kommunalen Energiekonzepten zu unterstützen, ist eine Leistung vermögensrechtlicher Art. Die Unterstützung kann in Form von reinen Beratungsleistungen oder auch in Form einer Konzepterstellung erfolgen. Beides erfordert auf Seiten der Klägerin jedenfalls einen personellen Aufwand. Dass in den Vertrag die Unterstützungspflicht nur generalklauselmäßig aufgenommen wurde und die einzelnen konkret zu erbringenden Leistungen noch nicht aufgeführt sind, steht der Vereinbarung einer Leistung im Sinne von § 3 Abs. 2 Nr. 1 KAV nicht entgegen. Die generalklauselmäßige Leistungsverpflichtung gibt der Gemeinde die Möglichkeit, die Unterstützungsleistungen erst während der Vertragslaufzeit näher zu konkretisieren. Im Streitfall wäre dann jeweils zu prüfen und ggf. durch die Gerichte zu klären, ob die von der Gemeinde konkret geforderte Unterstützungsleistung von der generell vereinbarten Unterstützungspflicht umfasst ist. Wie sich aus der Veröffentlichung des Verhandlungsführers für den Gemeindetag Baden-Württemberg (Anlage BK 30) ergibt, ist die Aufnahme konkreterer Unterstützungsleistungen in den Musterkonzessionsvertrag gerade im Hinblick auf das Nebenleistungsverbot des § 3 Abs. 2 Nr. 1 KAV unterblieben, ohne das deswegen mit Nachteilen in der praktischen Umsetzung gerechnet wurde. Eine geldwerte Leistungsverpflichtung liegt aber unabhängig davon vor, ob im Konzessionsvertrag die Leistungspflichten des Energieversorgers schon im Einzelnen spezifiziert sind oder nur eine generelle Unterstützungspflicht im Hinblick auf kommunale Energiekonzepte aufgenommen ist.

b) Auch die Verpflichtung, die erforderlichen Daten zur Verfügung zu stellen, verstößt gegen § 3 Abs. 2 Nr. 1 KAV. Welche Daten im Einzelnen zur Verfügung zu stellen sind, ist wiederum im Konzessionsvertrag noch nicht genau geregelt. Die Pflicht ist aber nach der Vereinbarung nicht auf Daten beschränkt, die bei der Klägerin ohnehin bereits aus einem anderem Grund zusammengestellt wurden und der Gemeinde daher ohne weiteren Aufwand zur Verfügung gestellt werden können, sondern erstreckt sich auch auf für ein zu erstellendes Energiekonzept „erforderliche“ Daten, die die Klägerin zwar liefern kann, die sie aber auch erst selbst zusammenstellen muss und deren Zusammenstellung somit eines personellen Aufwands bedarf. Auch die Pflicht, die für ein Energiekonzept erforderlichen Daten zur Verfügung zu stellen, beinhaltet somit eine geldwerte Leistung. Ob für die Zurverfügungstellung der Daten ein Markt vorhanden ist, ist nicht entscheidend. Auch wenn es sich um Daten handelt, die nur von der Klägerin und nicht auch von anderen Marktteilnehmern zusammengestellt werden können, liegt ein Verstoß gegen § 3 Abs. 2 Nr. 1 KAV vor, denn - wie ausgeführt - dient das Nebenleistungsverbot auch dem Zweck, dass die für die Konzessionsabgaben festgelegten Höchstsätze nicht ausgehöhlt werden sollen. Dieser Schutzzweck ist auch dann berührt, wenn ein Markt für die vereinbarte Nebenleistung nicht existiert.

c) Die Nebenleistungen der Klägerin sollen nach dem Konzessionsvertrag unentgeltlich erfolgen. Die Auffassung der Klägerin, für die Nebenleistungen sollte gemäß §§ 612, 632 BGB die übliche Vergütung gezahlt werden, geht fehl. Abgesehen davon, dass diese Vorschriften Verträge voraussetzen, bei denen die Dienst- oder Werkerbringung eine Hauptleistungspflicht darstellt, ergibt sich die Unentgeltlichkeit der Nebenleistungen aus der Gesamtschau der in § 7 Abs. 2 Satz 1-3 des Konzessionsvertrags getroffenen Bestimmungen. Neben der Unterstützungspflicht bei der Erstellung von kommunalen Energiekonzepten und der Datenüberlassungspflicht ist in § 7 Abs. 2 Satz 3 des Konzessionsvertrags noch geregelt, dass die Klägerin nach Abstimmung bereit ist, hierfür im Rahmen des konzessionsabgabenrechtlich Zulässigen einen Zuschuss zu gewähren, wenn die Gemeinde die Erstellung eines kommunalen Energiekonzepts beauftragt. Soweit die Gemeinde sich also dafür entscheiden sollte, dass Energiekonzept von einem Dritten erstellen zu lassen, wodurch sich der nach § 7 Abs. 2 Satz 1 des Konzessionsvertrags vorgesehene Unterstützungsaufwand verringern würde, sollte dies durch einen entsprechenden Zuschuss ausgeglichen und die Mehrkosten der Gemeinde verringert werden. Es wäre widersinnig, wenn die Gemeinde als Gegenleistung für diesen Zuschuss eine Vergütung erbringen müsste. Aus der Vereinbarung eines Zuschusses im Falle der Beauftragung eines Dritten ergibt sich daher, dass im Falle der umfassenden Leistungserbringung der Klägerin keine marktübliche Vergütung vorgesehen war. Dies entspricht auch dem Verständnis der Beteiligten bei der Erstellung des Mustervertrages, die im Hinblick auf § 3 Abs. 2 Nr. 1 KAV davon abgesehen hatten, die Unterstützungspflichten weiter zu konkretisieren (Anlage BK 30). Denn soweit die Unterstützung zu marktüblichen Preisen hätte erfolgen sollen, wäre das Verbot des § 3 Abs. 2 Nr. 1 KAV nicht berührt.

d) Sowohl die Unterstützung der Gemeinde bei der Erstellung eines Energiekonzepts als auch die Zurverfügungstellung der für ein Energiekonzept erforderlichen Daten wurden im Zusammenhang mit dem Abschluss des Konzessionsvertrags, nämlich in diesem selbst, vereinbart. Entgegen der Auffassung der Klägerin kommt es nach dem Wortlaut des § 3 Abs. 2 Nr. 1 KAV gerade nicht darauf an, ob zwischen der angebotenen Nebenleistung und der Auswahlentscheidung der Gemeinde ein Kausalzusammenhang nachgewiesen wird. Die Vereinbarung der Leistungen ist gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 1 KAV unabhängig davon unzulässig, ob diese nachweislich bei der Auswahlentscheidung von Bedeutung waren.

e) Die Zuschussvereinbarung in § 7 Abs. 2 Satz 3 des Konzessionsvertrags selbst stellt keinen eigenständigen Verstoß gegen § 3 Abs. 2 Nr. 1 KAV dar, da der Zuschuss nur im Rahmen des konzessionsabgabenrechtlich Zulässigen gezahlt werden sollte. Da der Zuschuss tatsächlich konzessionsabgabenrechtlich nicht zulässig ist und die Parteien dem durch die Einschränkung Rechnung getragen haben, ist im Ergebnis kein Zuschuss vereinbart und liegt insoweit kein Verstoß gegen das Nebenleistungsverbot vor.

f) Die in § 7 Abs. 3 Satz 1 des Konzessionsvertrags getroffene Vereinbarung, dass die Klägerin die Eigenerzeugung von Strom durch die Gemeinde, wo sie ökologisch und wirtschaftlich sinnvoll ist, unterstützt, ist nicht nur im Hinblick auf die vom Gesetzgeber in §§ 6 ff. EnWG angeordnete Entflechtung von Netzbetrieb und Stromerzeugung sachfremd, sondern verstößt auch gegen das Nebenleistungsverbot des § 3 Abs. 2 Nr. 1 KAV. Zwar sind wiederum keine konkreten Handlungspflichten der Klägerin aufgeführt, es ist jedoch eine generelle Leistungsverpflichtung der Klägerin geregelt. Nach der Vertragsgestaltung ist jeweils durch Auslegung zu ermitteln, ob von der Gemeinde an die Klägerin herangetragenen Anliegen aufgrund der übernommenen generellen Unterstützungspflicht zu entsprechen ist. Dafür, dass diese Unterstützungspflicht sich auf rein ideelle Leistungen beschränken und nicht ggf. auch Sach- oder Finanzleistungen umfassen soll, ist nichts ersichtlich, eine dahingehende Einschränkung enthält die Regelung nicht. Eine Gegenleistung ist für die Unterstützungspflicht nicht vereinbart und ergibt sich auch nicht aus §§ 612 Abs. 1, 632 Abs. 1 BGB. Nach diesen Vorschriften wird eine Vergütungsvereinbarung fingiert, wenn die Leistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. Die Unterstützungspflicht der Klägerin wurde hier im Konzessionsvertrag geregelt, der die Pflichten der Gemeinde in § 2 ausdrücklich regelt. Eine darüberhinausgehende von der Gemeinde zu zahlende Vergütung für die von der Klägerin nach dem Vertrag zu erbringenden Leistungen konnte diese ohne ausdrückliche Regelung im Vertrag nicht erwarten. Von einer Vergütungspflicht ist auch der baden-württembergische Gemeindetag, wie sich aus Anlage BK 30 ergibt, nicht ausgegangen.

g) Auch § 7 Abs. 4 Satz 2 des Konzessionsvertrags verstößt gegen § 3 Abs. 2 Nr. 1 KAV. § 7 Abs. 4 Satz 2 des Konzessionsvertrags bezieht sich auf § 7 Abs. 4 Satz 1, der regelt, dass der Gemeinde das Dienstleistungs-Angebot des Konzerns, zu dem die Klägerin gehört, zur Verfügung steht und enthält eine Vermittlungsverpflichtung der Klägerin bezüglich der weiteren Angebote dieses Konzerns. Dass auch § 7 Abs. 4 Satz 1 des Konzessionsvertrags selbst einen Verstoß gegen § 3 Abs. 2 Nr. 1 KAV enthält, steht dagegen nicht zur Überzeugung des Gerichts fest. Aus dieser Klausel ergibt sich nicht zwingend, dass die Gemeinde auf das Dienstleistungsangebot des Konzerns zu Vorzugspreisen zurückgreifen kann. Der als Anlage B 4 vorgelegte Zeitungsbericht legt zwar nahe, dass die Gemeinde Nersingen im Zusammenhang mit dem Abschluss des Konzessionsvertrags mit dem klägerischen Konzern auch über eine Glasfaserverkabelung des Gemeindegebietes gesprochen hat und seitens des Konzerns möglicherweise entsprechende Zusagen wie bei der Gemeinde Elchingen gemacht wurden. Fest steht dies jedoch nicht. Allerdings verstößt die Vermittlungspflicht als solche unabhängig davon, ob und ggf. welche Zusatzvereinbarungen getroffen wurden, gegen das Nebenleistungsverbot des § 3 Abs. 2 Nr. 1 KAV. Die Vermittlung von Angeboten erfordert den Einsatz von Personal. Zunächst muss sich jemand bei der Klägerin mit den Wünschen der Gemeinde befassen und sodann entsprechende Angebote bei den Konzerngesellschaften eruieren und an die Klägerin weiterleiten. Dem Beweisangebot der Klägerin, durch Sachverständigengutachten feststellen zu lassen, dass die Vermittlung von Angeboten keinen Personaleinsatz erfordert, war mangels Vortrags von entsprechenden Anknüpfungstatsachen nicht nachzugehen. Die Klägerin hat in keiner Weise dargelegt, wie die Angebotsvermittlung ohne Einsatz von Personal hätte erfolgen können, so dass die Behauptung einem Sachverständigenbeweis nicht zugänglich war. Der Personalaufwand stellt eine unzulässige Sachleistung im Sinne von § 3 Abs. 2 Nr. 1 KAV dar. Auf die Schädlichkeit des Verhaltens für den Nebenleistungsmarkt kommt es im Hinblick darauf, dass das Nebenleistungsverbot auch eine Aushöhlung der Höchstsatzregelungen des § 2 KAV verhindern soll, nicht an. Eine Gegenleistung war auch für diese Leistung der Klägerin nicht vereinbart.

h) Entgegen der Auffassung des Landgerichts ergeben sich dagegen aus den im Bundesanzeiger bekannt gemachten Gründen für die Auswahlentscheidung keine konkreten Verstöße gegen § 3 Abs. 2 Nr. 1 KAV. Zwar sind die von der Gemeinde angegebenen Gründe anhand des Neu-Konzessionsvertrags nicht vollumfänglich nachvollziehbar. So ist z. B. nicht ersichtlich, warum durch die Vergabe der Konzession an die Klägerin der kommunale Einfluss auf die örtliche Energieversorgung verbessert werden könnte. Hieraus kann aber nicht geschlossen werden, dass die Gemeinde sich weitere Finanz- oder Sachleistungen, die im Neu-Konzessionsvertrag nicht genannt sind, hat versprechen lassen.

4. Die Verstöße gegen § 3 Abs. 2 Nr. 1 KAV führen zur Gesamtnichtigkeit des Konzessionsvertrags gemäß § 134 BGB.

a) Gemäß § 134 BGB ist ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz etwas anderes ergibt. Ob ein Verstoß zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts führt, hängt vom Sinn und Zweck des Verbotsgesetzes ab (vgl. BGH NJW 2013, 3167 Tz. 15), wobei bei beiderseitigen Verbotsgesetzen in der Regel anzunehmen ist, dass das Rechtsgeschäft nichtig sein soll (vgl. BGH NJW-RR 2008, 1050 Tz. 9; Palandt-Ellenberger, BGB, 72. Aufl., § 134, Rn. 8 m.w.N.). Das Nebenleistungsverbot des § 3 KAV richtet sich ausdrücklich an beide Vertragspartner, an Versorgungsunternehmen und Gemeinde, sonstige Finanz- und Sachleistungen dürfen nicht vereinbart und nicht gewährt werden. Gründe dafür, die Nebenleistungsvereinbarungen trotz der sich an beide Vertragsparteien richtenden Verbotsnorm aufrechtzuerhalten, bestehen nicht.

Die Verstöße gegen § 3 Abs. 2 Nr. 1 KAV führen nicht nur zur Nichtigkeit der Nebenleistungsvereinbarungen, sondern zur Gesamtnichtigkeit des Konzessionsvertrags. Die Nichtigkeit erstreckt sich in der Regel auf das Rechtsgeschäft im Ganzen. Eine Beschränkung der Nichtigkeitsfolge auf die verbotene Regelung ist nur dann anzunehmen, wenn sich dies aus dem Zweck der Verbotsnorm ergibt (Palandt-Ellenberger a.a.O. Rn. 13).

Bei Verstößen gegen § 3 Abs. 2 Nr. 1 KAV erfordert der Schutz der Mitbewerber die Nichtigkeit des Konzessionsvertrag im Ganzen. Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass § 3 Abs. 2 Nr. 1 KAV nicht dem Schutz der Mitbewerber diene. Zwar gab es bei Einführung des Nebenleistungsverbots noch keinen Wettbewerb um die Netze. Eine Aushöhlung der Höchstsätze für Konzessionsabgaben durch Nebenleistungen sollte vielmehr ursprünglich verhindert werden, um die Letztverbraucher vor überhöhten Energiepreisen zu schützen. Ohne das Nebenleistungsverbot bestand die Gefahr, dass die Gemeinden sich von den Energieversorgungsunternehmen erhebliche Nebenleistungen versprechen ließen und die Energieversorgungsunternehmen die Kosten dafür über die Energiepreise an die Letztverbraucher weitergaben. Zum Schutz der Verbraucher vor überteuerten Energiepreisen ist eine Nichtigkeit des Gesamtvertrages bei Verstoß gegen das Nebenleistungsverbot nicht (mehr) erforderlich, da seit Einführung des Systems der Netzentgeltregulierung die Gefahr nicht mehr gegeben ist, dass unangemessene Kostenbestandteile des Netzbetreibers in die Netzentgelte zu Ungunsten der Netznutzer einfließen. Die Weitergabe unzulässiger Kosten ist spätestens seit der Einführung der ex-ante-Entgeltkontrolle im Jahr 2005 nicht mehr möglich (Templin ZNER 2012, 570, 571). Der Verordnungsgeber hat sich gleichwohl dafür entschieden, dass Nebenleistungsverbot trotz Einführung des Wettbewerbs um die Netze und der Regulierung der Netzentgelte unverändert zu lassen. Durch diese Strukturänderungen des Energiewirtschaftsrecht hat die Vorschrift, die ursprünglich nur die Letztverbraucher und Anbieter von Nebenleistungen schützen sollte, erhebliche wettbewerbliche Relevanz für die Mitbewerber um das Netz bekommen (vgl. auch OLG Bamberg, Urt. v. 3. November 2010 - 3 U 92/10, juris, dort Tz. 88 zu § 3 KAV als Marktverhaltensregelung im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG und Gemeinsamer Leitfaden von Bundeskartellamt und Bundesnetzagentur zur Vergabe von Strom- und Gaskonzessionen und zum Wechsel des Konzessionsnehmers, 2010, Rn. 22, 2. Aufzählungspunkt). Mitbewerber, die sich gesetzeskonform verhalten und unter Beachtung vom § 3 KAV keine unzulässigen Nebenleistungen anbieten, sind nur bei einer Gesamtnichtigkeit des Vertrags gegen das verbotswidrige Verhalten ihres Mitbewerbers geschützt. Würde man nur von einer Teilnichtigkeit der verbotenen Regelung ausgehen, würde der Mitbewerber, der unter Verstoß gegen § 3 KAV Vertragspartner der Gemeinde geworden ist, nicht nur die Konzession erhalten, sondern er müsste, wenn er sich auf die Teilnichtigkeit beruft, sogar für diese weniger leisten, als er der Gemeinde angeboten hat. Er würde für sein gesetzeswidriges Verhalten somit doppelt belohnt. Beruft sich das Unternehmen nicht auf die Teilnichtigkeit des Vertrags, würde auch die Gemeinde für ihr gesetzeswidriges Verhalten belohnt, da sie sich zusätzliche finanzielle Vorteile verschaffen konnte. Würde der Verstoß gegen § 3 Abs. 2 Nr. 1 KAV nicht zur Nichtigkeit des gesamten Vertrags führen, könnten beide Vertragsparteien, insbesondere der Versorger auf Kosten der um ihre Marktzutrittschancen gebrachten gesetzestreuen Mitbewerber, von einem Verstoß gegen § 3 Abs. 2 Nr. 1 KAV nur profitieren. Das wäre ein Ergebnis, das dem Sinn eines an beide Parteien gerichteten Verbots offensichtlich widerspricht.

Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, dass es sich bei § 3 KAV um Preisrecht handele und Verstöße gegen Preisrecht nicht zur Nichtigkeit des Vertrags führten (vgl. BGH NZBau 2008, 65 Tz. 14 m.w.N.). Dies gilt, wenn das Preisrecht Höchstsätze für die vom Auftragnehmer zu erbringende Leistung enthält, wie die HOAI (vgl. BGH a.a.O.). Ist ein überhöhter Preis vereinbart, so gebietet es der Schutz des hierdurch benachteiligten Vertragspartners regelmäßig, den Vertrag im Übrigen, d.h. ohne die Preisabrede, aufrechtzuerhalten (Münchener Kommentar - Armbrüster, BGB, 6. Aufl., § 134 Rn. 107). Die Preisvorschrift des § 3 KAV richtet sich aber an beide Vertragspartner; weder der Schutz der den überhöhten Preis fordernden Gemeinde, noch der Schutz des den überhöhten Preis anbietenden Energieversorgers gebieten die Aufrechterhaltung des Vertrags.

b) Die in den Vertrag aufgenommene salvatorische Klausel hätte nur dann Bedeutung, wenn sich die Gesamtnichtigkeit des Vertrags nicht aus § 134 BGB ergeben würde, denn nur dann wäre gemäß § 139 BGB zu prüfen, ob die Parteien den Restvertrag aufrechterhalten - und damit den Ausschluss gesetzestreuer Mitbewerber perpetuieren - wollen. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 29.09.2009 (NJW-RR 2010, 1070 - Endschaftsbestimmung II) steht dem nicht entgegen, da sie sich mit einer Nichtigkeit des Vertrags nach § 134 BGB nicht befasst hat.

c) Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Rechtsfolge der Nichtigkeit des Konzessionsvertrags auch nicht unverhältnismäßig. Die Klägerin stützt die vermeintliche Unverhältnismäßigkeit der Nichtigkeit darauf, dass die streitigen Regelungen dem Musterkonzessionsvertrag Baden-Württemberg entnommen wurden und Nersingen als kleiner Gemeinde ein „Unwertvorwurf“ nicht gemacht werden könnte. Auch Regelungen, die in Musterverträgen enthalten sind, sind der gerichtlichen Überprüfung jedoch nicht entzogen und die Frage, ob die Gemeinde Nersingen die Nichtigkeit hätte erkennen müssen, spielt im vorliegenden Rechtstreit keine Rolle.

5. Der Beklagten ist die Einwendung der Nichtigkeit des Konzessionsvertrags nicht abgeschnitten.

a) Eine Unzulässigkeit der Geltendmachung erst im vorliegenden Rechtsstreit ergibt sich nicht aus einer entsprechenden Anwendung der für das formelle Vergabeverfahren geltenden Rügefristen, insbesondere § 101b Abs. 2 GWB. Die §§ 97 ff. GWB finden nach einhelliger Auffassung auf die Vergabe von Verträgen nach § 46 EnWG keine Anwendung, da die Vergabe der Konzession kein Dienstleistungsauftrag im Sinne des § 99 Abs. 4 GWB ist (vgl. Schüttpelz, VergabeR 2013, 361, 362 m.w.N., Anlage BK 22).

Für eine entsprechende Anwendung fehlt es an einer planwidrigen Regelungslücke zumal die Beklagte nicht auf ein formelles Nachprüfungsverfahren verwiesen werden kann, wie es § 101b GWB voraussetzt. § 46 EnWG a. F. enthält in Abs. 2 Satz 4, Abs. 3 Satz 1und Satz 4 verschiedene zeitliche Vorgaben. Rügeausschlussfristen sind aber gerade nicht aufgenommen worden. Dass es sich hierbei um eine planwidrige Lücke handelt, ist in keiner Weise ersichtlich.

b) Die Beklagte hat ihr Recht, sich auf die Unwirksamkeit des Konzessionsvertrags zu berufen, auch nicht gemäß § 242 BGB verwirkt.

Eine Rechtsposition ist verwirkt, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist (Zeitmoment) und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen (Umstandsmoment). Letzteres ist der Fall, wenn der Verpflichtete bei objektiver Betrachtung aus dem Verhalten des Berechtigten entnehmen durfte, dass dieser sein Recht nicht mehr geltend machen werde. Ferner muss sich der Verpflichtete im Vertrauen auf das Verhalten des Berechtigten in seinen Maßnahmen so eingerichtet haben, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstünde (vgl. BGH, Urt. v. 29. Januar 2013 - EnZR 16/12, juris, Tz. 13 m. w. N.).

Die Beklagte hat nach Bekanntgabe der Auswahlentscheidung am 26.11.2009 und bis heute keine rechtlichen Schritte gegen die Gemeinde unternommen und sich vorprozessual auch gegenüber der Klägerin nicht auf die Nichtigkeit des Konzessionsvertrags berufen. Hieraus konnte die Klägerin jedoch nicht schließen, dass die Beklagte, falls keine Einigung über den Preis für die Stromverteilungsanlagen erzielt werden würde, nicht die Übertragungspflicht als solche in Frage stellen würde. Da die Beklagte Eigentümerin der Nieder- und Mittelspannungs-Stromverteilungsanlagen im Gebiet der Gemeinde Nersingen ist, konnte ein Wechsel des Netzbetreibers ohne ihre Einbindung nicht erfolgen. Der neue Energieversorger oder die Gemeinde mussten wegen der Übertragung der Verteilungsanlagen mit ihr in Verhandlungen treten, wie es die Klägerin ja auch getan hat. Da ein Wechsel des Versorgers ohne Einbindung der Beklagten als Eigentümerin der Verteilungsanlagen nicht vollzogen werden konnte, kann aus dem Umstand, dass die Beklagte nicht selbst aktiv gegen die Vergabeentscheidung der Gemeinde vorgegangen ist, nicht geschlossen werden, dass sie dessen Wirksamkeit nicht in Frage stellt. Dass die Beklagte sich nicht schon vorprozessual gegenüber der Klägerin auf die Unwirksamkeit des neuen Konzessionsvertrags berufen hat, führt ebenfalls nicht zur Verwirkung, zumal die Beklagte den Vertrag bis zur Klageerhebung gar nicht kannte. Die Beklagte hat in den vorprozessualen Verhandlungen zum Ausdruck gebracht, dass sie zur Übertragung der Anlagen zu gewissen Bedingungen, insbesondere zu einem ihren Vorstellungen entsprechenden Preis, bereit ist. Damit hat sie aber nicht zum Ausdruck gebracht, dass sie sich gegen eine Übereignung der Anlagen zu einem deutlich niedrigeren, nicht ihren Vorstellungen entsprechenden Preis nicht mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln wehren würde und insbesondere nicht die Übereignungspflicht als solche in Frage stellen würde. Mangels Umstandsmoments ist für die Annahme einer Verwirkung somit kein Raum.

6. Da sich die Nichtigkeit des Vertrages bereits aus den Verstößen gegen § 3 Abs. 2 Nr. 1 KAV ergibt, kann dahinstehen, ob der Neu-Konzessionsvertrag darüber hinaus auch wegen Verstößen gegen § 46 Abs. 1, Abs. 3 EnWG a. F., §§ 19, 20 GWB a. F. nichtig ist. In Betracht kommt vor allem ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des § 46 Abs. 1 Satz 1 EnWG, da eine diskriminierungsfreie Vergabe der Konzession voraussetzt, dass den Interessenten die Auswahlkriterien und deren Gewichtung vor der Bewerbung mitgeteilt werden (vgl. Albrecht in Schneider/Theobald, Recht der Energiewirtschaft, 4. Aufl., § 9 Rn. 88; vgl. auch Gemeinsamer Leitfaden von Bundeskartellamt und Bundesnetzagentur zur Vergabe von Strom- und Gaskonzessionen und zum Wechsel des Konzessionsnehmers, 2010, Rn. 15), was im vorliegenden Fall nicht erfolgt ist.

II. Die Klägerin hat auch keinen vertraglichen Anspruch auf Übereignung der Verteilungsanlagen.

1. Der Konzessionsvertrag vom 4./8.2.2010 und der am selben Tage geschlossene Abtretungsvertrag vom 4./8.2.2010 stellen ein einheitliches Rechtsgeschäft im Sinne von § 139 BGB dar, so dass die Nichtigkeit des Konzessionsvertrags auch die Nichtigkeit des Abtretungsvereinbarung umfasst. Maßgeblich für die Einheit des Rechtsgeschäfts ist der Einheitlichkeitswille der Parteien. Aus den Erklärungen der Parteien muss sich unter Berücksichtigung der Interessenlage und der Verkehrssitte (§ 157) der Wille ergeben, dass die möglicherweise äußerlich getrennten Rechtsgeschäfte miteinander stehen und fallen sollen (Palandt-Ellenberger, a.a.O. § 139 Rn. 5 m.w.N.). Im zweiten Absatz der Vorbemerkung der Abtretungsvereinbarung ist ausdrücklich ausgeführt, dass die Gemeinde die Stromkonzession ab 06.02.2010 an die Klägerin vergeben hat und die nachfolgenden Vereinbarungen erfolgen, um der Klägerin die Übernahme der Versorgungsanlagen zu ermöglichen. Die Vergabe der Stromkonzession erfolgte durch den entsprechenden Gemeinderatsbeschluss und den Abschluss des - nichtigen - Konzessionsvertrags. Die Abtretung „steht und fällt“ mit dem Konzessionsvertrag, da die Gemeinde bei Abtretung der Übereignungsansprüche an einen anderen als den tatsächlichen Konzessionsinhaber diesem die Verteilungsanlagen zum Betrieb des Netzes nicht mehr beschaffen kann und für diesen daher die Grundlage für den Erwerb der Konzession entfällt.

2. Die Abtretung ist auch aufgrund der Spezialregelung des § 46 Abs. 2 Satz 2 EnWG a. F. unwirksam. Zwar stehen der vertragliche Anspruch aus dem bisherigen Konzessionsvertrag und der gesetzlichen Anspruch aus § 46 Abs. 2 EnWG a. F. grundsätzlich nebeneinander (BGH NJW-RR 2010, 1071 Tz. 12 - Endschaftsbestimmung II). Dies gilt aber nicht in Bezug auf die Anspruchsinhaberschaft (insoweit vom BGH ausdrücklich offengelassen, BGH a.a.O. Tz. 20). Denn wäre der bisherige Konzessionsinhaber aufgrund der Abtretung des vertraglichen Anspruchs der Gemeinde verpflichtet, die Verteilungsanlagen an einen Dritten zu übereignen, könnte er seine gesetzlichen Pflichten aus § 46 Abs. 2 Satz 2 EnWG a. F. zur Überlassung der Verteilungsanlagen an den tatsächlichen neuen Konzessionsnehmer nicht mehr erfüllen.

III. Da der Übereignungsanspruch nicht besteht, sind auch die daneben geltend gemachten weiteren Ansprüche nicht begründet.