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Diese Entscheidung

Ersatz eines öffentlichen Marktes durch einen privatrechtlich organisierten

BVerwG, Urteil vom 21.07.1964 - Az.: I C 60.61

Leitsätze:
1. § 65 GewO enthält kein Verbot von Privatmärkten. (Leitsatz des Herausgebers)

2. Eine Gemeinde darf im Rahmen ihrer Organisationsgewalt einen bestehenden öffentlichen Markt aufheben und an seiner Stelle einen privatrechtlich organisierten Markt einrichten. (Leitsatz des Herausgebers)

3. Für einen Streit um die Zuweisung eines Standes auf einem von einer Gemeinde betriebenen Privatmarkt sind die ordentlichen Gerichte zuständig. Dies gilt auch dann, wenn im Rahmen des Rechtsstreits frühere öffentlich-rechtliche Beziehungen der Parteien im Zusammenhang mit einem damals bestehenden öffentlichen Markt sowie grundrechtliche Erwägungen eine Rolle spielen. (Leitsatz des Herausgebers)

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Gründe

Der Revision war der Erfolg zu versagen.

Der Kläger begehrt mit dem Hauptantrag die Zuweisung eines Standes in der sogenannten "Neuen Halle". Für die Beurteilung der rechtlichen Grundlage dieses Begehrens ist davon auszugehen, dass das Rechtsverhältnis der Parteien zunächst durch die Vorschriften des § 64 GewO und des § 22 der Niedersächsischen Gemeindeordnung vom 4. März 1955 (GVBl. S. 55) bestimmt gewesen ist. Nach § 64 Abs. 1 GewO steht der Besuch der Wochenmärkte sowie der Kauf und Verkauf auf denselben einem jeden mit gleichen Befugnissen zu. Nach § 22 der Niedersächsischen Gemeindeordnung sind die Einwohner berechtigt, die öffentlichen Einrichtungen der Gemeinde zu benutzen. Nun gewährt diese Vorschrift aber nach der bindenden Auslegung des Berufungsgerichts den Gemeindeangehörigen nicht ein Recht auf Erhaltung dieser Einrichtungen. § 64 GewO führt zu keinem anderen Ergebnis. Der Marktbesucher kann aus der Aufhebung des Marktes grundsätzlich keine Rechte herleiten (OLG Dresden, Gewerbearchiv 17, 507; Landmann-Rohmer, Kommentar zur Gewerbeordnung, 11. Aufl., Anm. 2 zu § 65 GewO; Fuhr, Kommentar zur Gewerbeordnung, Anm. 1 zu § 65 GewO). Die Behauptungen des Klägers gehen jedoch dahin, daß die Aufhebung des alten Marktes zu Unrecht erfolgt und seine Aufhebung und Umwandlung in einen Privatmarkt nichtig seien. Wäre dies richtig, dann könnte das Berufungsurteil, nach dem die Beziehungen der Parteien nur noch bürgerlich-rechtlicher Natur sind und der Verwaltungsrechtsweg für die Klage verschlossen ist, nicht aufrechterhalten werden. Vielmehr würde das Verhältnis der Parteien dann weiterhin dem Bereich des öffentlichen Rechts angehören und die Frage, ob bzw. inwieweit der Klageanspruch aus dem Marktbenutzungsverhältnis des Klägers hergeleitet werden kann, im Verwaltungsrechtsweg nachgeprüft werden müssen. Die Frage nach der Rechtswirksamkeit der Aufhebung des alten - öffentlichen - und der Errichtung des neuen - privaten - Marktes ist also entscheidungserheblich. Sie ist von dem Berufungsgericht mit Recht bejaht worden.

Die von der Beklagten und dem Beigeladenen durch die Beschlüsse vom 24. November 1954 und 21. März 1955 getroffene Regelung kann in ihrer Wirksamkeit revisionsrechtlich nicht beanstandet werden. Dies gilt zunächst von den Vorgängen ihrer Inkraftsetzung. Ob die Aufhebung eines Marktes und die aufsichtsbehördliche Genehmigung der Änderung einer Marktordnung Rechtsetzungsakte sind, wie das Berufungsgericht annimmt (siehe hierzu besonders sein Urteil vom 26. April 1957, DÖV 1958 S. 548), oder Verwaltungsakte (so Fuhr, a.a.O.), kann dahingestellt bleiben. Auch wenn man unterstellt, dass es sich bei der Genehmigung der Änderung der Marktordnung und bei der Aufhebung des Marktes um Rechtsetzungsakte handelte und beides daher der entsprechenden Verkündung bedurfte, so ist die Wirksamkeit von rechtsstaatlichen Gesichtspunkten aus trotz der hierbei unterlaufenen Unrichtigkeiten und Auslassungen nicht zu bezweifeln. Diese Fehler sind spätestens mit der zweiten Berichtigung in Nr. 24 des Amtsblattes von 1955 geheilt gewesen. Dass diese Berichtigung keine Unterschrift trug, ist bedeutungslos, da sie rein redaktioneller Art war und ihre Urheberschaft damit ohne weiteres feststand. Überdies ist der Beschluss über die Genehmigung der Änderung der Marktordnung und die Aufhebung des Wochenmarktes im Jahre 1960 nochmals ordnungsmäßig veröffentlicht worden. Die gegen diese Veröffentlichung erhobenen Angriffe des Klägers sind schon deshalb unbeachtlich, weil es nach den obigen Ausführungen auf sie nicht mehr ankommt. Zum Teil betreffen sie auch irrevisibles Recht, wie z.B. Art. 36 der Niedersächsischen Verfassung. Auf jeden Fall lässt auch die Veröffentlichung vom 28. Januar 1960 eine Verletzung rechtsstaatlicher Grundsätze nicht erkennen. Dies gilt insbesondere von dem Umstand, dass die Änderungen und Ergänzungen der Marktordnung vom 1. Juni 1934 in ihr nicht einzeln aufgeführt worden sind. Einen Verstoß gegen den Grundsatz der Bestimmtheit kann man darin schon deshalb nicht erblicken, weil es sich um die Genehmigung einer totalen Aufhebung der alten Marktordnung für den neuen Markt handelte und Zweifelsfragen über eine teilweise Anwendung ihrer abgeänderten und ergänzenden Vorschriften nicht auftreten konnten.

Die weiteren Bemängelungen, welche die Revision gegen das Genehmigungsverfahren des Beigeladenen erhebt, betreffen Landes- bzw. Ortsrecht und liegen außerhalb des Bereichs der revisionsgerichtlichen Nachprüfung. Für den Einwand der Arglist und des Zusammenspiels zwischen der Beklagten und dem Beigeladenen fehlt es nach den Feststellungen des Berufungsgerichts an konkreten Anhaltspunkten. Eine Verletzung seiner Aufklärungspflicht lässt sich nicht feststellen. Was der Kläger in dieser Hinsicht vorträgt, sind nur unsubstantiierte Vermutungen.

Die Behauptung des Klägers, dass der Beigeladene vor dem Berufungsgericht durch einen nicht bevollmächtigten Referendar vertreten gewesen sei, erledigt sich schon dadurch, daß der Beigeladene diese Prozessführung auf jeden Fall stillschweigend genehmigt hat.

Die Aufhebung des alten Marktes und die Errichtung des Privatmarktes sind auch materiellrechtlich mit den Vorschriften des Bundesrechts vereinbar und geben auch in dieser Hinsicht keinen Anlaß zur Annahme einer Unwirksamkeit.

Die Berufung des Klägers auf § 65 GewO geht fehl. Zwar hat das Preußische Oberverwaltungsgericht früher den Standpunkt vertreten, daß Märkte als gewerbepolizeiliche Einrichtungen mit besonderen Vorrängen für den Einkauf und Verkauf von Waren unbedingt eine Anordnung oder Zulassung von Seiten der dazu berufenen staatlichen Autorität voraussetzten, da hiernach jeder Marktverkehr außerhalb der öffentlich gestatteten Märkte unzulässig sei (PrOVGE 8, 246). Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Rechtsprechung auch Privatmärkte betreffen sollte, welche die Gemeinde selbst unterhielt. Das Preußische Oberverwaltungsgericht hat diese Rechtsprechung später selbst aufgegeben (PrOVGE 21, 343; PrVBl. 21, 493; vgl. auch PrOVGE 15, 366 (373)). Die Auffassung, daß § 65 GewO ein Verbotsgesetz gegenüber Privatmärkten enthalte, überspannt nach Ansicht des Senats den Inhalt dieser Vorschrift und könnte zudem auch im Hinblick auf Art. 12 des Grundgesetzes nicht mehr aufrechterhalten werden. Die überwiegende Ansicht ist ebenfalls der Auffassung, dass § 65 GewO Privatmärkte nicht ausschließt (OVG Hamburg, VerwRspr. 2, 88 (92/93); Fuhr, Anm. 3 zu § 65 GewO; Rohlfing- Kiskalt-Wolff, Kommentar zur Gewerbeordnung, Anm. 1 zu § 65 GewO; a.A. Landmann-Rohmer, Anm. 2 zu § 65 GewO).

Die Errichtung des Privatmarktes an Stelle des alten Marktes steht auch nicht mit Art. 28 Abs. 2, 3 GG in Widerspruch. Diese Vorschriften wenden sich lediglich an die Länder, die den Gemeinden das Selbstverwaltungsrecht gewährleisten müssen, bzw. an den Bund. Die Errichtung bzw. Aufhebung eines Marktes gehört zwar zu den Selbstverwaltungsaufgaben der Gemeinden, jedoch handelt es sich dabei um eine freiwillige, nicht um eine Pflichtaufgabe. Die Gemeinde ist daher auch nicht verpflichtet, einen Markt mit der Eigenschaft einer öffentlich-rechtlichen Einrichtung beizubehalten. Seine Aufhebung und Privatisierung gehört zur Organisationsgewalt der Gemeinde (vgl. hierzu Fuhr, Anm. 2 zu § 65 GewO). Dies erscheint um so unbedenklicher, wenn man berücksichtigt, dass sogar Versorgungsbetriebe als Privateinrichtungen geführt werden können (vgl. hierzu Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 8. Aufl., S. 359).

Ist somit davon auszugehen, dass die Aufhebung des Wochenmarktes in der alten Markthalle wirksam erfolgt ist und die Beklagte sich zur Errichtung des neuen Marktes mit Recht privatrechtlicher Gestaltungsformen bedienen durfte, dann ist der Streit der Parteien um die Zuweisung eines Standes in der Neuen Markthalle ein bürgerlicher Rechtsstreit, der von den Zivilgerichten zu entscheiden ist. Hieran würde sich auch nichts ändern, wenn man davon ausgeht, daß die Beklagte durch die Errichtung des Privatmarktes etwaiger öffentlich-rechtlicher Bindungen, die sich aus dem früheren Marktbenutzungsverhältnis ergeben könnten, dem Kläger gegenüber nicht ledig geworden ist und dass dies insbesondere auch für die Bindung an das verfassungsmäßige Gleichheitsprinzip gilt. Die Beklagte hat dem Kläger den Abschluss eines Mietvertrages für einen Stand in der Neuen Markthalle versagt, während sie mit anderen früheren Standinhabern Mietverträge eingegangen ist. Die Anwendbarkeit des Gleichheitsgrundsatzes, den die Beklagte bei einer Errichtung des neuen Marktes auf öffentlich-rechtlicher Grundlage ohne weiteres hätte beachten müssen, mag nicht schon deshalb entfallen, weil sie für diese Errichtung den Weg des Privatrechts gewählt hat, wobei die Frage, ob eine tatsächliche Verletzung des Gleichheitsprinzips stattgefunden hat, dahingestellt bleiben kann. Durch die Einschaltung dieses Prinzips würde die Rechtsnatur der Beziehungen, in denen die Parteien nunmehr zueinander stehen, nicht verändert werden. Es würde sich in jedem Fall um einen Rechtsstreit zwischen einer Privatperson und einer Gemeinde in ihrer Eigenschaft als Fiskus um die Eingehung eines Mietvertrages handeln. Zwar müssten im Rahmen dieses Rechtsstreits bei der Auslegung und Würdigung des Rechtsverhältnisses der Parteien gegebenenfalls ihre früheren öffentlich-rechtlichen Beziehungen berücksichtigt werden, und es könnten möglicherweise grundrechtliche Erwägungen eine Rolle spielen. Ob und inwieweit dies der Fall ist, hat jedoch der Zivilrichter zu entscheiden. Der Rechtsstreit würde gleichwohl ein Rechtsstreit des bürgerlichen Rechts bleiben, so dass eine Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte unter keinem Gesichtspunkt gegeben ist (vgl. hierzu BVerfGE 7, 198 (205/206); BGHZ 29, 76; Ipsen bei Neumann-Nipperdey-Scheuner, Die Grundrechte, Bd. II S. 111, 114, Anm. 109; Köttgen, DVBl. 1953 S. 488, II 1 a Abs. 4; Dürig, JZ 1953 S. 198 f.,V; Krüger, DVBl. 1955 S. 384, 3 b).

Dem mit der Revision in erster Linie verfolgten Antrag auf Zuweisung eines neuen Standes in der Neuen Markthalle konnte somit nicht entsprochen werden. Zu einer Zurückverweisung an die Vorinstanz lag keine Veranlassung vor.

Mit dem weiteren Hilfsantrag hat der Kläger sein Begehren auf die Feststellung beschränkt, dass die Aufhebung des Wochenmarktes nicht vor dem 4. Februar 1960 in Kraft getreten ist. Die hierbei zu entscheidende Frage gehört zwar dem öffentlichen Recht an, so dass die materielle Entscheidungsbefugnis des Senats gegeben wäre. Jedoch ist bereits oben ausgeführt worden, dass die Verkündung der Maßnahmen, die zur Aufhebung des alten Marktes geführt haben, schon im Jahre 1955 wirksam erfolgt ist. Dem Feststellungsantrag konnte daher ebenfalls nicht stattgegeben werden.