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Diese Entscheidung

Alte württembergische Bebauungspläne sind Rechtsnormen

BVerwG, Urteil vom 03.05.1956 - Az.: I C 89.55

Leitsätze:
Bebauungspläne nach der Württembergischen Bauordnung sind keine Verwaltungsakte, sondern ortsrechtliche Normen. (Leitsatz des Herausgebers)

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Volltext

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs vom 18. Februar 1954 - 1 S 144/53 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage als unzulässig abgewiesen wird.

Die Kosten des Revisionsverfahrens haben die Kläger zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 3.000 DM festgesetzt.

Tatbestand

Die Technische Abteilung des Gemeinderats der Beklagten hatte beschlossen, den Bebauungsplan für ein Teilgebiet der Stadt zu ändern. In dem neuen Plan war für ein Gelände, zu dem auch die rückwärtigen bebauten Teile der Grundstücke der Kläger zu 1), 3) und 4) gehören, zwecks Freihaltung des Baublockinneren von einer weiteren Bebauung und zur Sicherung einer ausreichenden Belichtung und Belüftung der Randbebauung ein Bauverbot vorgesehen. Gegen diesen Planänderungsbeschluss haben die Kläger zu 1), 3) und 4) als Grundstückseigentümer, der Kläger zu 2) als Ehemann der Klägerin zu 1) im Auslegungsverfahren Einwendungen erhoben. Durch Verfügung des Innenministerium vom 7. Juli 1952 wurden der Beschluss zur Planänderung genehmigt und die Einwendungen der Kläger zurückgewiesen. Daraufhin haben die Kläger die verwaltungsgerichtliche Anfechtungsklage erhoben mit dem Antrag, die gemeindlichen Beschlüsse zur Planänderung und die Genehmigungsverfügung des Innenministeriums aufzuheben sowie die hierauf beruhende Änderung des Bebauungsplanes insoweit für unzulässig zu erklären, als dadurch für die Grundstücke der Kläger ein Bauverbot ausgesprochen werde.

Die Klage ist vom Verwaltungsgericht Stuttgart abgewiesen worden. Das Verwaltungsgericht sieht die Klage gegen die Feststellung des Bebauungsplanes und die Zurückweisung der Einwendungen als zulässig an, hält sie aber für unbegründet, da der angefochtene Bebauungsplan weder gegen das Gesetz verstoße noch auf einer fehlerhaften Ausübung des Ermessens beruhe. Die Berufung der Kläger ist durch Urteil des Verwaltungsgerichtshofs, 1. Stuttgarter Senats, vom 18. Februar 1954 zurückgewiesen worden. In den Urteilsgründen ist ausgeführt: Es sei an der ständigen Rechtsprechung des Berufungsgerichts festzuhalten, dass nicht die mit der Entscheidung über die Einwendungen verbundene Genehmigung des Bebauungsplanes, sondern der Festsetzungsbeschluss des Gemeinderats bzw. seiner Technischen Abteilung verfahrensrechtlich den beschwerenden Verwaltungsakt darstelle, gegen den die Anfechtungsklage zulässig sei. Nach § 9 des Aufbaugesetzes seien die Vorschriften der württembergischen Bauordnung auch auf das bei der Feststellung von Bebauungsplänen einzuhaltende Verfahren anzuwenden. In Art. 10 Abs. 1 Satz 2 der Bauordnung sei dem Gemeinderat ein Beschwerderecht gegen die die Genehmigung einer Planfeststellung versagende Entscheidung der Genehmigungsbehörde eingeräumt. Des weiteren sei nach Art. 115 Abs. 6 der Bauordnung die Rechtsbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zulässig. Wenn auch diese Bestimmung durch § 135 des Verwaltungsgerichtsgesetzes beseitigt sei, so ergebe sich doch daraus, dass die württembergische Bauordnung die Feststellung eines Ortsbauplanes als einen Verwaltungsakt ansehe, gegen den die Beteiligten angehen könnten. Der Kreis der Beteiligten sei feststellbar, daher könne von einer Allgemeinverfügung gesprochen werden. Dazu komme, dass nach Art. 10 Abs. 2 der Bauordnung der Ortsbauplan erst mit der öffentlichen Bekanntmachung als festgestellt gelte, letztere aber erst erfolgen dürfe, wenn erhobene Beschwerden erledigt seien. Dies müsse auch nach dem Inkrafttreten des Verwaltungsgerichtsgesetzes für Württemberg-Baden für die Anfechtungsklage gelten, um so mehr, als das Verwaltungsgerichtsgesetz allgemein eine Verbesserung des Rechtsschutzes des Bürgers bezwecke und deshalb keinesfalls eine Verschlechterung seiner Rechtsstellung gegenüber dem früheren Recht herbeigeführt haben könne. Nach Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 der Bauordnung übe schon die Offenlegung eines Ortsbauplanes gewisse Rechtswirkungen aus. Es sei daher nicht einzusehen, weshalb dem Beschluss des Gemeinderats über die Festsetzung eines Ortsbauplanes oder Bebauungsplanes nicht der Charakter eines Verwaltungsaktes zukommen solle. Dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 8. Dezember 1953 - BVerwG I C 4.53 - könne das Berufungsgericht für das württembergische Recht nicht folgen. Sei die Planfeststellung ein anfechtbarer Verwaltungsakt, so müsse mit der Möglichkeit gerechnet werden, dass das verwaltungsgerichtliche Urteil unter Umständen eine Abänderung des Planes zur Folge haben könne, durch die wieder andere beteiligte Grundstückseigentümer betroffen werden könnten. Es könne daher aus Gründen der Rechtssicherheit nicht verantwortet werden, dass ein Staatsbürger mit seiner Anfechtungsklage bis zur Ablehnung seines Baugesuches oder bis zur Einleitung des Enteignungsverfahrens warten müsse. Die Rechtskontrolle müsse möglichst frühzeitig einsetzen und für alle Beteiligten baldigst Rechtssicherheit schaffen, um einem unnötigen Aufwand an planerischer Arbeit vorzubeugen. Auch die Gemeinde müsse frühzeitig in die Lage versetzt werden, durch verwaltungsgerichtliches Urteil festgestellt zu bekommen, ob der von ihr beschlossene Bebauungsplan rechtlich in Ordnung sei. Dazu komme, dass die Planfeststellung als solche schon insofern unmittelbare Auswirkungen auf einen Betroffenen haben könne, als dessen Grundstück unter Umständen dadurch nur schwer oder nur zu einem gegenüber dem Verkehrswert geringeren Preise verkäuflich sei. Die Berufung sei jedoch sachlich nicht begründet. Zur Begründung seiner Einwendungen gegen die Festsetzung eines Bebauungsplanes könne der Einzelne geltend machen, der Bebauungsplan stehe mit dem Gesetz in Widerspruch, schädige das öffentliche Wohl oder beeinträchtige erhebliche Interessen Dritter ohne genügenden Grund. Dabei sei davon auszugehen, dass die Frage, ob ein genügender Grund in diesem Sinne vorliege, eine unbestimmte Rechtsfrage sei. Damit sei aber noch nichts darüber ausgesagt, in welcher Form diesem genügenden Grund durch Gestaltung des Bebauungsplanes Rechnung getragen werden solle. Sofern ein genügender Grund überhaupt vorliege, müsse der Verwaltungsbehörde bei der Feststellung von Bebauungsplänen eine Handlungsfreiheit eingeräumt werden. Für das den Grundstücken der Kläger auferlegte Bauverbot liege ein genügender Grund vor, wie im einzelnen nach § 8 des Aufbaugesetzes in Verbindung mit Art. 11 der Bauordnung unter Würdigung der örtlichen Verhältnisse näher dargelegt wird. Auch Anhaltspunkte dafür, dass die Anwendung des Ermessens missbräuchlich erfolgt sei oder den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt habe, lägen nicht vor.

Die Revision gegen dieses Urteil ist durch Beschluss des erkennenden Senats vom 5. April 1955 - BVerwG I B 127.54 - zugelassen worden.

Die Kläger haben Revision eingelegt. Zur Begründung tragen sie vor: Ein Bebauungsplan nach dem Aufbaugesetz oder der Bauordnung könne bebaute Flächen nicht erfassen. Eine andere Auslegung verstoße gegen Art. 14 des Grundgesetzes. Das Bauverbot stehe im vorliegenden Fall auch in keinem Verhältnis zu dem den Klägern entstehenden Schaden. Es liege daher Ermessensmissbrauch vor.

Die Beklagte hat Zurückweisung der Revision beantragt. Sie ist der Ansicht, dass die Planfestsetzung kein anfechtbarer Verwaltungsakt ist.

Gründe

Die Revision musste zur Abweisung der Klage als unzulässig führen.

Die vom Berufungsgericht bejahte Frage, ob ein Bebauungsplan oder ein Beschluss über die Festsetzung eines solchen oder eine im Planverfahren ergehende Entscheidung über die nichterledigten Einwendungen im Verwaltungsstreitverfahren anfechtbare Verwaltungsakte sind, hat der erkennende Senat für einen Fluchtlinienplan nach dem braunschweigischen Recht in seinem Urteil vom 8. Dezember 1953 - BVerwG I C 4.53 - ausdrücklich offengelassen, weil jedenfalls das erforderliche Rechtsschutzinteresse für solche Klagen nicht gegeben sei. Der Senat hat dabei darauf hingewiesen, dass die sich aus einer Fluchtlinie ergebenden Rechtswirkungen den Betroffenen gegenüber nicht unmittelbar, sondern nur mittelbar wirksam würden, und zwar als Rechtsgrundlage für die später notwendigen Baugenehmigungs- oder Enteignungsverfahren. Bei der verwaltungsgerichtlichen Nachprüfung der in diesen Verfahren ergangenen Bescheide könne der Betroffene alle Gesichtspunkte geltend machen, die er gegen die zugrunde liegende Fluchtlinienfestsetzung vorzubringen habe, so dass kein Bedürfnis bestehe, eine verwaltungsgerichtliche Klage schon gegen einen im Planauslegungsverfahren ergangenen Einwendungsbescheid zuzulassen. In seinem Beschluss vom 4. März 1954 - BVerwG I B 56.53 - hat der erkennende Senat ausgesprochen, dass diese Grundsätze auch für das württembergische Recht gelten müssten, da die nach dem vorerwähnten Urteil maßgebenden Gesichtspunkte auch für dieses Recht zuträfen.

Bei der erforderlichen nochmaligen Überprüfung dieser Rechtsfragen geht der Senat davon aus, dass die Verneinung des Rechtsschutzbedürfnisses folgerichtig ein Eingehen auf die Rechtsnatur des Planes selbst erfordert. Denn nur wenn der Bebauungsplan als Rechtsnorm und nicht als Verwaltungsakt und das Verfahren zur Aufstellung des Planes als Rechtsetzungsverfahren angesehen wird, trifft es zu, dass den Betroffenen in der Sache keine Möglichkeit, Einwendungen gegen den Plan vorzubringen, genommen wird, wenn man eine Klage gegen den Plan oder den im Planauslegungsverfahren ergehenden Einwendungsbescheid nicht zulässt.

Das württemberg-badische Verwaltungsgerichtsgesetz - VGG - enthält keine Bestimmung des Begriffs des Verwaltungsaktes. Es herrscht aber in Rechtsprechung und Schrifttum Einigkeit darüber, dass dieses. Gesetz den Begriff in der allgemein üblichen Bedeutung voraussetzt (vgl. Eyermann-Fröhler, Verwaltungsgerichtsgesetz, Anm. A I 1 a zu § 22 VGG). Es ist danach unter Verwaltungsakt jede Maßnahme zu vorstehen, die von einer Verwaltungsbehörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiete des öffentlichen Rechts getroffen wird. Die Abgrenzung des nach diesen Merkmalen bestimmten Verwaltungsaktes, zu dem auch die Allgemeinverfügung zählt, gegenüber der Rechtsnorm ist umstritten. Die einen stellen es auf die Art und Weise ab, in welcher der Adressat bestimmt ist, und nehmen bei konkreter Bestimmung oder wenigstens konkreter Bestimmbarkeit eine Allgemeinverfügung, bei abstrakter dagegen einen Rechtssatz an (so Jellinek, Gesetz, Gesetzesanwendung und Zweckmäßigkeitserwägung, S. 139 ff.; derselbe, Verwaltungsrecht, 3. Aufl. S. 246; Jacobi in Anschütz-Thoma, Handbuch des Deutschen Staatsrechts, Bd. 2 S. 236 [237]; Andersen, Ungültige Verwaltungsakte, S. 29). Die anderen lassen den Inhalt entscheidend sein und nehmen einen Verwaltungsakt an, wenn ein konkreter Einzelfall oder mehrere solche Fälle geregelt werden, eine Rechtsnorm dagegen, wenn auf abstrakt bezeichnete Vorgänge sich beziehende, auf die Dauer zu gelten bestimmte Rechtssätze aufgestellt werden (so Otto Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, 3. Aufl. Bd. 1 S. 93; Thoma, Der Polizeibefehl im badischen Recht, S. 65, Peters, Lehrbuch der Verwaltung, S. 152; Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, Allgemeiner Teil, 5. Aufl., S. 168; Ule, Die Lehre vom Verwaltungsakt im Licht der Generalklausel, in Recht - Staat - Wirtschaft, Bd. 3 S. 260 [263]; Klinger, Die Verordnung über die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der britischen Zone, Anm. B 1 zu § 25; Menger, System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes, S. 103 mit Rechtsprechungsübersicht: Entwurf einer Verwaltungsrechtsordnung für Württemberg, Begründung zu Art. 61, S. 214/215). Eine dritte Ansicht stellt auf beide Kriterien ab (so Bachof, Die verwaltungsgerichtliche Klage auf Vornahme einer Amtshandlung, S. 21 ff., Eyermann-Fröhler, Verwaltungsgerichtsgesetz, Anm. A I 1 a, bb) zu § 22). Den Fluchtlinienplan bezeichnet dabei ausdrücklich als Rechtsnorm Jellinek, Gesetz, Gesetzesanwendung und Zweckmäßigkeitserwägung, S. 154 mit weiteren Hinweisen, während den gegenteiligen Standpunkt der Entwurf der württembergischen Verwaltungsrechtsordnung (a.a.O.) vertritt.

In der Rechtsprechung ist die Frage nach der Rechtsnatur der städtebaulichen Pläne verschieden beantwortet worden. Das frühere Preußische Oberverwaltungsgericht hat grundsätzlich den förmlich festgestellten Fluchtlinienplan als Ortsrecht angesehen (OVG Bd. 25 S. 387 [390], Bd. 57 S. 474 [479]; Bd. 61 S. 386 [387]; Bd. 68 S. 435 [437]). Das frühere Reichsgericht hat in RGZ Bd. 128 S. 18 [30] den Fluchtlinienplan- in Abweichung von den Ausführungen im Preußischen Verwaltungsblatt, 13. Jahrg. S. 342 - als Verwaltungsakt bezeichnet, die Frage jedoch in Bd. 132 S. 69 [73] wieder ausdrücklich offengelassen. In der neueren Rechtsprechung betrachten den Fluchtlinienplan (oder den ihm vergleichbaren Bebauungsplan) als Ortsgesetz: der Hessische Verwaltungsgerichtshof im Urteil vom 31. Juli 1953 (ESVGH Bd. 4 S. 58), das Oberverwaltungsgericht für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein im Beschluss vom 13. August 1953 (DVBl. 1954 S. 204 Nr. 81), das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz - jedenfalls den ordnungsgemäß zustandegekommenen Plan - im Beschluss vom 16. September 1954 (AS Rh-Pf. Bd. 3 S. 96), der Verwaltungsgerichtshof Bremen im Urteil vom 12. November 1953 (Bundesbaublatt 1955 S. 321) und das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen im Urteil vom 24. November 1953 - VII A 987/53 -, wobei dieses - in Abweichung von seiner früheren Rechtsprechung und im Gegensatz zu dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein vom 9. Oktober 1952 (HGBR F 128 [R 3] Bl. 3 a) - auch den noch im Feststellungsverfahren befindlichen Plan als werdendes Ortsrecht und demgemäß weder die Planauslegung noch einen im Planauslegungsverfahren ergehenden Einwendungsbescheid als anfechtbaren Verwaltungsakt betrachtet. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Urteil vom 3. Juni 1955 (DVBl. 1955 S. 740, Bundesbaublatt 1956 S. 127) und der Württemberg-Badische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 25. Juni 1951 (ESVGH Bd. 2 S. 71 [73]) und mit Urteil vom 1. April 1954 (ESVGH Bd. 4 S. 64) betrachten demgegenüber die Festsetzung eines Ortsbauplanes oder einer Baulinie als anfechtbare Verwaltungsakte (Übersichten über den Stand der Meinungen bei Baldauf, DÖV 1952 S. 621, Hüttenhein, DÖV 1954 S. 163, und Grauvogel, DÖV 1954 S. 650).

Mit Hilfe der obenerwähnten Begriffsmerkmale lässt sich nach Ansicht des erkennenden Senats eine Entscheidung in der Frage nach der Rechtsnatur des Bebauungsplanes nicht gewinnen. Die verfahrensmäßige Ausgestaltung des Planverfahrens mit der Beschlussfassung durch die Gemeindevertretung, der Offenlegung des Planes, der öffentlichen Bekanntmachung sowohl der Auslegung als auch der Feststellung des Planes spricht für das Vorliegen einer Rechtsnorm, trägt aber, sobald die Offenlegung und deren Bekanntmachung durch eine Vernehmung der Beteiligten nach Art. 8 Abs. 2 und die öffentliche Bekanntmachung der Feststellung durch Eröffnung an die Beteiligten gemäß Art. 10 Abs. 2 der württembergischen Bauordnung ersetzt wird, auch Merkmale eines Verwaltungsaktes. Der von dem Plan betroffene Personenkreis kann tatbestandsmäßig als nach allgemeinen begrifflichen Merkmalen bezeichnet angesehen werden, solange der Plan eine Vielzahl von Grundstücken betrifft, nämlich die gegenwärtigen und zukünftigen Eigentümer, Pächter und sonstigen Nutzungsberechtigten an den allgemein nach ihrer örtlichen Lage bezeichneten Grundstücken, mit anderen Worten, alle, die in der meist beträchtlichen Zeit der Gültigkeit des Bebauungsplanes in irgendeine Rechtsbeziehung zu den von dem Plan umfassten Grundstücken treten, konkret also heute nicht feststellbar sind. Unter der gleichen Voraussetzung mag auch der Gegenstand der Regelung als ein abstrakter Sachverhalt angesehen werden, nämlich die Erschließung oder die noch ungewisse zukünftige Bebauung des Plangebietes. Beide Merkmale aber verlieren sich, sobald der Plan auf einige wenige oder gar auf ein einziges Grundstück beschränkt wird, wie dies bei einer Festsetzung einer Baulinie von beschranktem Umfang gemäß Art. 8, Abs. 2 und Art. 10 Abs. 2 der württembergischen Bauordnung der Fall sein kann, ohne dass dabei eine Grenze angesetzt werden könnte, bei deren Überschreitung eine Wandlung des Rechtscharakters des Bebauungsplanes angenommen werden kann.

Der erkennende Senat ist daher der Ansicht, dass die letzte. Entscheidung der Frage nach der Rechtsnatur des Bebauungsplanes nur dadurch gewonnen werden kann, dass man auf den Sinn und Zweck des Begriffes des Verwaltungsaktes zurückgeht und untersucht, ob der mit der Verwendung dieses Begriffs durch den Gesetzgeber gemeinte Sachverhalt tatsächlich gegeben und dieser Zweck sachgerecht erreicht wird. Der Begriff des Verwaltungsaktes ist eine Zweckschöpfung der Verwaltungsrechtswissenschaft (vgl. dazu Otto Mayer, a.a.O. S. 59, 93; Forsthoff, a.a.O. S. 165; Jacobi, a.a.O. S. 237). Für die Zweckbestimmung des Begriffs des Verwaltungsaktes im Rahmen der Verwaltungsgerichtsbarkeit ist das Rechtsschutzinteresse des Bürgers wesentlich. Von diesem Gesichtspunkt aus ist es nicht erforderlich, den Bebauungsplan als Verwaltungsakt anzusehen, vielmehr gerechtfertigt, ihn als ortsrechtliche Form zu betrachten. Die Festsetzungen des Bebauungsplanes haben die Rechtswirkung, dass sie die Bebaubarkeit des Grundstücks regeln und für die etwa erforderlich werdende Enteignung der in die Straße fallenden Flächen maßgebend sind. Wie der erkennende Senat bereits in seinem erwähnten Urteil vom 8. Dezember 1953 ausgesprochen hat, sind diese Festsetzungen aber den Betroffenen gegenüber nicht unmittelbar wirksam. Die Errichtung baulicher Anlagen bedarf nach den baurechtlichen Vorschriften einer besonderen Genehmigung, die Entziehung von Grundeigentum eines besonderen, förmlich ausgestalteten Enteignungsverfahrens. Für beide Verfahren, die durch den Bebauungsplan nicht überflüssig gemacht werden, bildet der Bebauungsplan nur die Rechtsgrundlage. Wird in diesen Verfahren in die Rechte des einzelnen einbegriffen, so hat er die Möglichkeit, alle Einwendungen gegen den Plan vorzubringen, die ihm in einem gesondert gegen den Plan zulässigen Verwaltungsstreitverfahren offenstünden. Ist der Bebauungsplan eine Rechtsnorm, so ist für die Einwendungen gegen den Plan ein Unterschied zwischen Gründen für eine Anfechtbarkeit und für eine Nichtigkeit nicht gegeben. Zwar betreffen alle diese Einwendungen in dem gegen die Baugenehmigung oder den Enteignungsbescheid eingeleiteten Verwaltungsstreitverfahren nur präjudizielle Fragen, während sie in einem Verwaltungsstreitverfahren gegen den Plan selbst sich unmittelbar gegen diesen Plan richten würden. Das ändert aber nichts an dem Inhalt und der Bedeutung dieser Einwendungen. Denn wenn bei der verwaltungsgerichtlichen Nachprüfung des Baubescheides oder der Enteignungsverfügung sich ergeben sollte, dass der der angefochtenen Verfügung zugrunde liegende Plan unwirksam ist, so müssen die angefochtenen Verfügungen als rechtswidrig aufgehoben werden; die bezeichneten Wirkungen des Bebauungsplanes würden dann also den Betroffenen gegenüber nicht wirksam werden. Ist der Bebauungsplan hiernach als ortsrechtliche Norm anzusehen, so ist auch der noch im Planverfahren begriffene Planentwurf kein Verwaltungsakt, sondern im Werden begriffenes Ortsrecht. Denn die Rechtswirkungen, die dieser Planentwurf nach der Württembergischen Bauordnung hat, - sie sind im Gegensatz zum preußischen Fluchtliniengesetz von geringerer Bedeutung (vgl. Art. 12 und 14 Abs. 1 der württembergischen Bauordnung) - unterscheiden sich wohl im Umfang, nicht aber im Wesen von denen des förmlich festgestellten Bebauungsplanes und sind wie diese dem Betroffenen gegenüber nicht von unmittelbarer Wirkung in dem oben bezeichneten Sinn. Ist das Planverfahren somit ein Gesetzgebungsverfahren, so ist nach den oben dargelegten Gesichtspunkten auch der im Planverfahren ergehende Bescheid über die Einwendungen, der in der aufsichtsbehördlichen Genehmigung der Pläne enthalten ist (vgl. Art. 9 Abs. 1 Satz 3 der württembergischen Bauordnung), nicht als Verwaltungsakt anzusehen. Der Bescheid über die nicht erledigten Einwendungen ist sachlich ein Teil des Gesetzgebungsaktes. In ihm wird über Gesichtspunkte entschieden, deren Berücksichtigung bei der Prüfung der gesetzlichen Voraussetzungen für die Planaufstellung ihrem Wesen nach zwingend erforderlich ist und auf die der Einsprechende nur besonders hinweist. Diese Entscheidung ist also nur ein besonders hervorgehobener Ausschnitt aus dem Gesetzgebungsverfahren und nimmt in der Sache an der Rechtsnatur dieser Normsetzung teil. Auch ohne Einspruch würde über die von dem Einsprechenden geltend gemachten Gesichtspunkte bei der zu erlassenden Norm zwangsläufig mitentschieden werden.

Wenn das Berufungsgericht zur Begründung seiner gegenteiligen Ansicht darauf hinweist, dass schon der Bebauungsplan den wirtschaftlichen Wert der Grundstücke unmittelbar beeinträchtigen könne, so soll eine solche Möglichkeit nicht in Abrede gestellt werden. Allein sie kann nicht als Kriterium für die Einordnung einer Maßnahme unter den Begriff des Verwaltungsaktes oder der Rechtsnorm verwendet werden; denn eine solche Wirkung geht auch von Maßnahmen aus, die unzweifelhaft Rechtsnormen sind, wie z.B. einer Steuerordnung, einer Ortssatzung über Anliegerbeiträge, einer Bauzoneneinteilung durch Baupolizeiverordnung oder einer Ortssatzung über Baugestaltung.

Die Ansicht des Berufungsgerichts, dass die Zulässigkeit der Anfechtbarkeit des Bebauungsplanes sich auch aus der Erwägung rechtfertige, dass jede Rechtskontrolle im Interesse aller Beteiligten möglichst frühzeitig einsetzen und auch die Gemeinde rechtzeitig Gewissheit über die Rechtmäßigkeit der von ihr beschlossenen Bebauungspläne erhalten müsse, erscheint dem erkennenden Senat nicht überzeugend. Das Interesse der Verwaltung an einer verbindlichen Klärung der rechtlichen Grundlagen ihres Vorgehens muss bei der verwaltungsgerichtlichen Anfechtungsklage außer Betracht bleiben. Denn diese Klage dient nach ihrer Zweckbestimmung, wie sie in den geltenden Verwaltungsgerichtsordnungen ihren Ausdruck gefunden hat, allein dem Rechtsschutz des Bürgers.

Das erwähnte Interesse der Verwaltung an der Klärung der rechtlichen Grundlage ihres Vorgehens könnte zudem - wobei man die sich im allgemeinen auf viele Jahre, oft Jahrzehnte erstreckende Wirksamkeit dieser Pläne in Rechnung stellen muss - auch nicht durch die auf den streitigen Einzelfall abgestellte verwaltungsgerichtliche Entscheidung befriedigt werden, sondern nur durch eine Entscheidung, deren Rechtskraft diesen Plan selbst als Ganzes umfassen würde. Dieser Erfolg könnte nur im Wege der Normenkontrollklage erreicht werden, eine Erwägung, die vom Standpunkt der Verwaltung aus gesehen dafür spricht, den Bebauungsplan als Rechtsnorm zu betrachten. Der Gesichtspunkt, es müsse jede Rechtskontrolle im Interesse der Beteiligten möglichst frühzeitig einsetzen, müsste zudem folgerichtig dazu führen, dass auch die Rechtsnormen - jedenfalls die unter dem Gesetz stehenden - in den Begriff des anfechtbaren Verwaltungsaktes einbezogen würden, denn er gilt für alle, oder doch jedenfalls für einen großen Teil dieser Normen in gleicher Weise. Eine solche Einordnung ist zwar an sich begrifflich nicht ausgeschlossen (vgl. Forsthoff, a.a.O. S. 168 mit weiteren Hinweisen), aber vom geltenden Recht nicht vorgenommen, sondern ausdrücklich abgelehnt worden.

Es ist ferner gegen die Ansicht des erkennenden Senats geltend gemacht worden, dass, wenn die verwaltungsgerichtliche Anfechtungsklage erst gegen die späteren Baubescheide oder die nachfolgenden Enteignungsverfügungen zulässig wäre, der Betroffene durch die inzwischen auf der Grundlage dieser Pläne sich vollziehende Bebauung der übrigen Grundstücke um die praktische Bedeutung seines Klagerechts gebracht würde. Auch dieser Einwand erscheint nicht durchschlagend. Erfahrungsgemäß erhebt nur ein kleiner Teil der Betroffenen Einwendungen gegen einen Bebauungsplan. Auch wenn diesen Betroffenen ein unmittelbares Klagerecht gegen den Plan oder den im Planauslegungsverfahren ergehenden Bescheid über die Einwendungen eingeräumt würde, wäre nicht zu verhindern, dass die übrigen Betroffenen sich mit ihren Vorhaben nach dem Bebauungsplan richten und dadurch in gewissem Umfange für die die Verwaltungsgerichte anrufenden Betroffenen vollendete Tatsachen schaffen.

Der Hinweis des Berufungsgerichts auf das Beschwerderecht der Gemeinde gegen die Versagung der aufsichtsbehördlichen Genehmigung des Planes nach Art. 10 Abs. 1 Satz 2 der württembergischen Bauordnung erscheint dem erkennenden Senat in diesen Zusammenhang nicht überzeugend. Denn dieses Beschwerderecht besteht im Verhältnis der Gemeinde zur Aufsichtsbehörde, was sich schon daraus ergibt, dass die Planaufstellung Selbstverwaltungsangelegenheit der Gemeinde ist. Die Versagung der Genehmigung des Planes kann also eine Beeinträchtigung dieses Selbstverwaltungsrechtes sein, sie besagt aber nichts darüber, welche Rechtsnatur der Plan im Verhältnis der Gemeinde zum Bürger hat.

Auch den Hinweis des Berufungsgerichts auf die früher zulässige Rechtsbeschwerde hält der erkennende Senat nicht für durchschlagend. Denn selbst wenn die Beschwerde unbeschränkt zulässig gewesen sein sollte, wäre dadurch, dass nunmehr der Plan und die im Planverfahren ergehenden Einwendungsbescheide nicht mehr als anfechtbare Verwaltungsakte, sondern der Bebauungsplan als Ortsrecht und das Verfahren zur Aufstellung des Planes als Rechtsetzungsverfahren angesehen werden, eine Schlechterstellung des Bürgers nicht eingetreten, da ihm gegen den Plan bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen die Normenkontrollklage offensteht. Damit wird seinem berechtigten Rechtsschutzinteresse ausreichend Genüge getan.

Die Klage musste daher als unzulässig abgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 65 Abs. 1, die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes auf § 74 des Gesetzes über das Bundesverwaltungsgericht vom 23. September 1952 (BGBl. I S. 625).