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Diese Entscheidung

Beratung über Bedarfsplanung für Kindergärten - Befangenheit des Vorstandsmitglieds eines Trägers?

VG Münster, Urteil vom 30.10.2009 - Az.: 1 K 1335/09

Leitsätze:
1. Bei der Entscheidung, ob ein als Vertreter einer Religionsgemeinschaft bestelltes beratendes Mitglied eines Jugendhilfeausschusses, von einer Beratung wegen Befangenheit ausgeschlossen ist, ist zu berücksichtigen, dass Vertreter von Religionsgemeinschaften gerade wegen ihrer Sachkunde und Betroffenheit als Betreiber von Jugendhilfeeinrichtungen zu den Beratungen hinzugezogen werden. (Leitsatz des Herausgebers)

2. Bei der Beratung über die finanzielle Förderung von Jugendhilfeträgern ist ein beratendes Mitglied, das dem Vorstand einer als Einrichtungsträger aktiven Kirchengemeinde angehört, als befangen anzusehen, wenn allein spezielle Interessen des von ihm vertretenen Trägers oder ein Interessenkonflikt mit einem anderen Träger zur Diskussion stehen. (Leitsatz des Herausgebers)

3. Eine Befangenheit liegt hingegen nicht vor, wenn lediglich allgemeine Fragen (hier: Bedarfsfeststellung zur Kindertagesbetreuung) und andere Träger betreffende Streitfragen zur Beratung anstehen. (Leitsatz des Herausgebers)

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Volltext

Tenor



Die Klage gegen die Beklagte zu 1. wird abgewiesen.

Es wird festgestellt, dass die Aufforderung der Beklagten zu 2. an den Kläger, in der Sitzung des Jugendhilfeausschusses am 10. März 2009 an den Beratungen des Tagesordnungspunkts "Bedarfsfeststellung und Entscheidung zur Kindertagesbetreuung im Rahmen der Umsetzung des Kinderbildungsgesetzes (KiBiz) für das Kindergartenjahr 2009/2010 ..." nicht teilzunehmen, den Kläger in seinem Mitwirkungsrecht als beratendes Ausschussmitglied verletzte.

Die Beklagte zu 2. trägt die Kosten des Klägers und die Gerichtskosten jeweils zur Hälfte. Der Kläger trägt die Kosten der Beklagten zu 1. und die Hälfte der Gerichtskosten.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger ist als bestellter Vertreter der Katholischen Kirche beratendes Mitglied im Jugendhilfeausschuss des Jugendamtes der Stadt J. , der Beklagten zu 1. Er ist außerdem der Vorsitzende des Kirchenvorstands der Katholischen Kirchengemeinde I. L. , die Trägerin von zwei Kindertageseinrichtungen in J. ist. Der Kläger erstrebt die gerichtliche Feststellung, dass er am 10. März 2009 rechtswidrig von einer Beratung im Jugendhilfeausschuss ausgeschlossen und dadurch in seinen Rechten verletzt worden ist.

In der genannten Sitzung des Jugendhilfeausschusses stand unter anderem der Tagesordnungspunkt "Jugendhilfeplanung - Teilfachplanung Kindergarteneinrichtungen und Kindergartenpflege, hier: Bedarfsfeststellung und Entscheidung zur Kindertagesbetreuung im Rahmen der Umsetzung des Kinderbildungsgesetzes (KiBiz) für das Kindergartenjahr 2009/2010 (01.08.2009 bis 31.07.2010)" an. Die Verwaltung des Jugendamtes hatte diese Planung vorher mit den Trägern der Einrichtungen weitgehend bis auf wenige strittig gebliebene Fälle, die nicht die Kindertageseinrichtungen der Kirchengemeinde betrafen, die der Kläger vertritt, abgestimmt. Der Kläger schrieb vor der Sitzung in einer E-Mail vom 7. März 2009 mit dem Betreff "Befangenheit?" an den Leiter der Verwaltung des Jugendamtes, der zugleich beratendes Mitglied im Jugendhilfeausschuss ist, dass er davon ausgehe, an der Diskussion des Tagesordnungspunkts teilnehmen zu dürfen, da es um ein Gesamtinteresse und (zumindest für ihn) nicht um ein spezielles Interesse gehe. Die Vorsitzende des Jugendhilfeausschusses (spätere Beklagte zu 2.) erklärte am 10. März 2009 vor Beginn der Beratungen des Tagesordnungspunkts, dass unter anderem der Kläger wegen Befangenheit an den Beratungen nicht teilnehmen dürfe und bat ihn, sich in den Zuhörerbereich zu begeben. Der Kläger brachte zum Ausdruck, dass er für sich keine Befangenheit erkennen könne. Nach einer kontroversen Diskussion begaben sich der Kläger und zwei weitere Ausschussmitglieder in den Zuhörerbereich. Laut einer Zusatzinformation der Verwaltung, die in die Sitzungsniederschrift aufgenommen wurde, sei der Befangenheitsgrund für alle betroffenen Ausschussmitglieder gewesen, dass die Entscheidung des Jugendhilfeausschusses in dieser Angelegenheit sich unmittelbar vor- oder nachteilig auf die Träger von Kindertageseinrichtungen auswirke, die sie verträten bzw. bei denen oder für die sie jeweils tätig seien. Jeder der Träger sei individuell zumindest in seinen wirtschaftlichen Interessen betroffen, weil die zu treffende Entscheidung des Jugendhilfeausschusses eine unmittelbare Zuordnung von Gruppentypen und Plätzen für alle im Stadtgebiet unterhaltenen Kindertageseinrichtungen beinhalte, für jeden der Träger verbindlich sei und den Betrieb der jeweiligen Einrichtung innerhalb des beschlossenen Rahmens bestimme. Für den Kläger ergebe sich ein Mitwirkungsverbot aus § 31 Abs. 2 Nr. 1 der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (GO NRW).

Die Verwaltung des Jugendamtes holte zur Frage der Befangenheit eine Stellungnahme des Landesjugendamtes vom 9. April 2009 ein, das unter Hinweis auf einen Beschluss des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen vom 9. November 1993 - 15 L 3130/93 - die Auffassung äußerte, ein Ausschluss wegen der Tätigkeit als Angestellter oder Vertreter der Träger der Einrichtungen von den Beratungen über die Kindergartenbedarfsplanung sei nicht gerechtfertigt. Der Landrat des Kreises T. als Kommunalaufsichtsbehörde gab in einem Schreiben an den Bürgermeister der Beklagten zu 1. vom 23. April 2009 unter anderem Einschätzungen zur Frage der Befangenheit einzelner Ausschussmitglieder am 10. März 2009 ab. Er vertrat die Auffassung, dass der Kläger zu Recht von der Beratung im Jugendhilfeausschuss ausgeschlossen worden sei. Für den Kläger gelte das Mitwirkungsverbot des § 31 Abs. 2 Nr. 2 GO NRW. Er sei als Vorsitzender des Kirchenvorstandes mit einem "Dienststellenleiter" für alle Einrichtungen in Trägerschaft der Kirchengemeinde vergleichbar.

Der Kläger hat im Juli 2009 Klage gegen die zu 1. beklagte Stadt J. erhoben und richtet diese Klage in der mündlichen Verhandlung auch gegen die zu 2. beklagte Vorsitzende des Jugendhilfeausschusses. Er macht zur Begründung im Wesentlichen geltend: Sein besonderes Feststellungsinteresse ergebe sich aus einer Wiederholungsgefahr sowie aus einer diskriminierenden und ehrverletzenden Wirkung des Befangenheitsvorwurfs. Der Ausschluss von der weiteren Beratung in der Sitzung des Jugendhilfeausschusses sei rechtswidrig gewesen. Die Beklagte zu 2. habe gegen § 16 Abs. 4 Satz 2 des Zehnten Buchs Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) verstoßen, weil der Jugendhilfeausschuss über den Ausschluss hätte entscheiden müssen. Die Voraussetzungen des § 16 Abs. 1 SGB X für den Ausschluss hätten nicht vorgelegen. Weder er selbst noch die Katholische Kirchengemeinde I. L. sei ein Beteiligter im Sinne dieser Vorschrift gewesen. Die Entscheidung am 10. März 2009 habe keinem Einzelnen einen unmittelbaren Vorteil bringen können, weil der Jugendhilfeausschuss ein Gesamtkonzept für die Gemeinde J. zur ausreichenden Versorgung der kindergartenfähigen Kinder habe erarbeiten sollen. Die Situation wäre anders, wenn der Ausschuss über Fragen der Bewilligung finanzieller Mittel für die Kindertageseinrichtungen der Kirchengemeinde entschieden hätte. Dass die Kirchengemeinde, deren Vorstand er vorsitze, selbst Trägerin von zwei Kindertageseinrichtungen sei, sei lediglich ein Hinweis auf seine fachliche Qualifikation. Dies sei gerade für die Mitwirkung im Jugendhilfeausschuss nötig, um sachgerechte und sachnahe Entscheidungen treffen zu können. Der Ausschluss sei auch nicht erforderlich gewesen, weil er als nur beratendes Mitglied des Ausschusses nicht an der Abstimmung (Entscheidung) teilnehmen könne.

Der Kläger beantragt,

festzustellen, dass sein Ausschluss als beratendes Mitglied von der Sitzung des Jugendhilfeausschusses der Beklagten zu 1. vom 10. März 2009 rechtswidrig war und ihn daher in seinen Rechten verletzte,

hilfsweise, die Berufung zuzulassen.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Sie führen unter anderem aus: Der Ausschluss von den Beratungen im Jugendhilfeausschuss habe keine diskriminierende Wirkung, weil er nur wegen der Möglichkeit einer Interessenkollision erfolgt sei. Im Übrigen habe der Kläger die Frage nach der möglichen Befangenheit in seiner E-Mail vom 7. März 2009 selbst aufgeworfen. Der Ausschluss des Klägers von der Beratung sei rechtmäßig. Nach § 3 Abs. 1 des Ersten Gesetzes zur Ausführung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (AG - KJHG) sei die Gemeindeordnung und nicht § 16 SGB X anzuwenden. Der Kläger habe gemäß § 31 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. 43 Abs. 2 GO NRW nicht mitwirken dürfen; sie verweise hierzu auf das Schreiben des Landrats vom 23. April 2009. Durch die Entscheidung am 10. März 2009 über die Zuordnung von Gruppentypen und Plätzen für alle Kindertageseinrichtungen im Gebiet der Stadt J. habe jede einzelne Kindertageseinrichtung eine individuelle Festlegung mit letztlich auch finanziellen Folgewirkungen erfahren. Deshalb habe die Entscheidung des Jugendhilfeausschusses auch für die Kindertageseinrichtungen der Kirchengemeinde, deren Vorstand der Kläger vorsitze, einen Vorteil bringen können. Auf den Unterschied zwischen der Mitwirkung als stimmberechtigtes oder nur beratendes Mitglied des Jugendhilfesausschusses komme es nicht an, weil eine Beeinflussung des Jugendhilfeausschusses durch ein als befangen anzusehendes Mitglied schon während der Beratung vor der Abstimmung ausgeschlossen werden müsse. Der Betreffende dürfe somit nach § 31 GO NRW weder beratend noch entscheidend mitwirken.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen.

Gründe

Die Klage, mit welcher der Kläger die gerichtliche Feststellung der Verletzung von Rechten als beratendes Mitglied im Jugendhilfeausschuss durch Ausschluss von einer Beratung am 10. März 2009 begehrt, ist mit dem gegen die Beklagte zu 1. gerichteten Feststellungsantrag abzuweisen und hat mit dem Feststellungsantrag gegen die Beklagte zu 2. Erfolg.

Die Klage ist unzulässig, soweit der Kläger die erstrebte Feststellung im Prozessrechtsverhältnis zur Stadt J. , der Beklagten zu 1., beantragt. Die Stadt ist die falsche Beklagte. Sie ist nicht passiv prozessführungsbefugt, weil sie nicht die Verpflichtete des als verletzt gerügten Innenrechts sein kann. Die passive Prozessführungsbefugnis des Beklagten im körperschaftsinternen Organstreit (verwaltungsrechtlichen Innenrechtstreit) richtet nicht nach dem dafür grundsätzlich maßgebenden Rechtsträgerprinzip, sondern nach der innerorganisatorischen Kompetenz- und Pflichtenzuordnung.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 10. September 1982 - 15 A 1223/80 -, NVwZ 1983, 485 (486); Ehlers, Der Beklagte im Verwaltungsprozess, Festschrift für Menger, 1985, Seite 379 (394).

Die passive Prozessführungsbefugnis liegt bei dem körperschaftsinternen Funktionsträger, demgegenüber das mit der Klage beanspruchte Innenrecht bestehen soll oder dem die mit der Klage bekämpfte Verletzung eines solchen Rechts angelastet wird.

Vgl. OVG NRW, Urteile vom 16. Juli 1991 - 15 A 1429/88 -, juris, Rn. 14 und vom 26. April 1989 - 15 A 650/87 -, NVwZ 1990, 188 sowie Beschluss vom 12. September 2008 - 15 A 2129/08 -, juris, Rn. 5 f. = NWVBl. 2009, 221; Fehrmann, Rechtsfragen des Organstreits, NWVBl. 1989, 303 (307).

Richtige Beklagte ist danach allein die Vorsitzende des Jugendhilfeausschusses, die Beklagte zu 2. Ihr lastet der Kläger die Verletzung seines Innenrechts auf Mitwirkung an einer Beratung an. Er macht geltend, dass die Beklagte zu 2. ihn zu Unrecht aufgefordert habe, wegen angeblicher Befangenheit nicht an der Beratung eines bestimmten Tagesordnungspunkts am 10. März 2009 teilzunehmen. Die Beklagte zu 1. kann hingegen nicht Verpflichtete des als verletzt gerügten Rechts auf Mitwirkung an der Beratung im Jugendhilfeausschuss sein, weil der Streit über den Ausschluss durch die Aufforderung der Ausschussvorsitzenden ausschließlich Rechtsbeziehungen innerhalb des Jugendhilfeausschusses des Jugendamtes der Stadt betrifft. Dass die zu 1. beklagte Stadt nicht Verpflichtete des als verletzt gerügten Innenrechts sein kann, wird durch die von den Parteien angeführten gesetzlichen Regelungen über Ausschließungsgründe bestätigt. Sowohl nach den Bestimmungen der §§ 31, 43 Abs. 2 GO NRW, welche die Beklagten als anwendbar ansehen, als nach den Bestimmungen des § 16 SGB X, die der Kläger für anwendbar hält, entscheidet der Ausschuss über einen Ausschluss eines seiner Mitglieder von der Mitwirkung, wenn der Ausschluss streitig bleibt bzw. Zweifel über das Vorliegen eines Ausschließungsgrundes bestehen (vgl. §§ 31 Abs. 4 Satz 2, 42 Abs. 2 Nr. 4 GO NRW und § 16 Abs. 4 Satz 2 SGB X).

Für die Geltendmachung von im Außenverhältnis zur Beklagten zu 1. angesiedelten subjektiv-rechtlichen Rechtspositionen, die dem Kläger nur als natürlicher Person, nicht aber in der Eigenschaft als Mitglied des Jugendhilfeausschusses zustehen können, ist im vorliegenden verwaltungsrechtlichen Innenrechtsstreit kein Raum. Soweit sich der Kläger im Rahmen seiner Ausführungen zur Begründung des Feststellungsinteresses auf eine angeblich diskriminierende und ehrverletzende Wirkung des Befangenheitsvorwurfs beruft, ist eine Verletzung von subjektiven Rechten des Klägers als natürlicher Person ersichtlich ausgeschlossen. Dass die Beklagten eine andere Auffassung als der Kläger zur Frage nach dessen Befangenheit vertreten und geäußert haben, lässt offensichtlich keinerlei Anhalt für eine Verletzung persönlicher Rechte des Klägers erkennen.

Die Klage hat aber mit dem gegen die Beklagte zu 2. gerichteten Feststellungsantrag Erfolg.

Für das Begehren des Klägers ist die Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 erste Alternative VwGO statthaft. Der Streit über konkrete Rechtsbeziehungen zwischen verwaltungsrechtlichen Organen oder - wie hier - Organteilen ist ein solcher über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses. Der Begriff des Rechtsverhältnisses im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO ist nicht auf Außenrechtsverhältnisse beschränkt, sondern umfasst ebenso die Rechtsbeziehungen innerhalb von Organen einer juristischen Person.

Vgl. OVG NRW, Urteil 2. Mai 2006 - 15 A 817/04 -, juris, Rn. 42 f.

Die Feststellungsklage ist auch nicht gegenüber der Gestaltungs- und Leistungsklage im Sinne des § 43 Abs. 2 VwGO subsidiär. Dies folgt schon daraus, dass hier von der Beklagten zu 2. als Organteil und dem Jugendhilfeausschuss als Organ des Jugendamts die Befolgung eines Feststellungsurteils auch ohne Vollstreckungsmaßnahmen ebenso sicher zu erwarten sind wie die eines Leistungsurteils.

Der Kläger ist entsprechend § 61 Nr. 2 VwGO beteiligungsfähig und entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt. Er macht geltend, durch den Ausschluss von den Beratungen in einem durchsetzbaren organschaftlichen Recht als beratendes Mitglied auf Mitwirkung im Jugendhilfeausschuss verletzt worden zu sein. Die aus § 5 Abs. 1 Nr. 7 AG-KJHG folgende Befugnis zur Teilnahme an den Beratungen des Jugendhilfeausschusses ist den bestellten Vertretern der Kirchen zur eigenständigen Wahrnehmung zugewiesen, um ihre besondere Sachkunde und die Interessen der jeweiligen Religionsgemeinschaft in die Beratungen des Jugendhilfeausschusses einbringen zu können. Der Kläger hat am 10. März 2009 auch seine aus dem Grundsatz der Organtreue folgende Obliegenheit erfüllt, Bedenken gegen den Ausschluss von der Beratung in verfahrensrechtlich gebotener Form geltend zu machen. Er war mit dem Ausschluss nicht einverstanden und gab dies durch seinen Protest hinreichend deutlich zu erkennen, indem er nach der Aufforderung der Beklagten zu 2., sich in den Zuhörerbereich zu begeben, zum Ausdruck brachte, für sich keine Befangenheit erkennen zu können.

Der Feststellungsantrag richtet sich nach dem schon oben Ausgeführten gegen die richtige Beklagte. Die Beklagte zu 2. ist der Funktionsträger, dem der Kläger die gerügte Verletzung seines Innenrechts auf Mitwirkung an der Beratung anlastet.

Der Kläger hat schließlich ein berechtigtes Interesse an einer baldigen Klärung des strittigen Rechtsverhältnisses durch die begehrte Feststellung. Zwar ist nicht zu erwarten, dass die Beklagte zu 2. abermals ohne einen Beschluss des Jugendhilfeausschusses alleine über einen streitigen Ausschluss des Klägers entscheiden wird; denn inzwischen ist allen Beteiligten klar, dass über den Ausschluss eines Mitglieds eines Ausschusses von der Mitwirkung in einer Angelegenheit der Ausschuss zu entscheiden hat, wenn Zweifel oder Streit über das Vorliegen eines Ausschließungsgrundes bestehen. Es besteht aber die hinreichend bestimmte Gefahr einer Wiederholung, dass sich nämlich in naher Zukunft, etwa bei der anstehenden Bedarfsfeststellung und Entscheidung zur Kindertagesbetreuung für das Kindergartenjahr 2010/2011, die Frage nach dem Vorliegen eines Ausschließungsgrundes aus im wesentlichen gleichartigen Gründen erneut stellen wird und der Jugendhilfeausschuss, dem die Beklagte zu 2. vorsitzt, den Kläger von einer Beratung wiederum ausschließen könnte.

Die Feststellungsklage gegen die Beklagte zu 2. ist auch begründet.

as vom Kläger behauptete Rechtsverhältnis besteht. Die Aufforderung der Beklagten zu 2. an den Kläger, in der Sitzung des Jugendhilfeausschusses am 10. März 2009 an den Beratungen des Tagesordnungspunkts "Bedarfsfeststellung und Entscheidung zur Kindertagesbetreuung im Rahmen der Umsetzung des Kinderbildungsgesetzes (KiBiz) für das Kindergartenjahr 2009/2010 ..." nicht teilzunehmen, verletzte den Kläger in seinem Recht gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 7 AG-KJHG auf Mitwirkung an der Beratung im Jugendhilfeausschuss. Es lag kein Grund für die Ausschließung von der beratenden Mitwirkung an der Angelegenheit vor.

Die Frage nach dem Vorliegen eines Mitwirkungsverbots beurteilt sich nach den Regelungen der §§ 31, 43 Abs. 2 Nr. 4 GO NRW in der Gemeindeordnung über Ausschließungsgründe, die aber im vorliegenden Zusammenhang unter Beachtung der Besonderheiten bei der Besetzung des Jugendhilfeausschusses nur modifiziert anzuwenden sind. Gemäß § 3 Abs. 1 AG-KJHG gilt unter anderem die Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen, soweit das Achte Buch des Sozialgesetzbuchs - Kinder- und Jugendhilfe - (SGB VIII) und das AG-KJHG nichts anderes bestimmen. Die bundesrechtlichen Bestimmungen des § 16 SGB X über im Sozialverwaltungsverfahren ausgeschlossene Personen sind entgegen der Auffassung des Klägers nicht anwendbar. Das AG-KJHG regelt in Ausführung der nur rudimentären Regelung der Rechtsverhältnisse des Jugendhilfeausschusses durch das Bundesrecht das Nähere (§ 71 Abs. 5 Satz 1 SGB VIII). Hierzu gehört unter anderem die Vorschrift des § 3 Abs. 1 AG-KJHG, welche die ergänzende Anwendung der Gemeindeordnung anordnet.

Siehe hierzu OVG NRW, Urteil vom 2. März 2004 - 15 A 4168/02 -, juris, Rn. 40 und 43.

Nach § 31 Abs. 2 GO NRW gilt das Mitwirkungsverbot, d. h. das Verbot an einer Angelegenheit beratend oder entscheidend mitzuwirken, auch, wenn der Betreffende bei einer natürlichen Person, einer juristischen Person oder einer Vereinigung, der die Entscheidung einen unmittelbaren Vorteil oder Nachteil bringen kann, gegen Entgelt beschäftigt ist und nach den tatsächlichen Umständen, insbesondere der Art seiner Beschäftigung, ein Interessenwiderstreit anzunehmen ist (Nr. 2), oder wenn der Betreffende Mitglied des Vorstandes, des Aufsichtsrates oder eines gleichartigen Organs einer juristischen Person oder einer Vereinigung ist, der die Entscheidung einen unmittelbaren Vorteil oder Nachteil bringen kann, es sei denn, er gehört den genannten Organen als Vertreter oder auf Vorschlag der Gemeinde an (Nr. 2). Unmittelbar ist der Vorteil oder Nachteil, wenn die Entscheidung eine natürliche oder juristische Person direkt berührt (§ 31 Abs. 1 Satz 2 GO NRW). Allerdings ergeben sich aus ähnlichen Gründen, wie sie das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen in seinem Beschluss vom 9. November 1993 - 15 L 3130/93 - (Seite 4 ff. = Jugendwohl 143, 145 f.) für den Fall stimmberechtigter Mitglieder eines Verbandes im Jugendhilfeausschusses dargelegt hat, für die Anwendbarkeit des § 31 GO NRW besondere Überlegungen. Für diese ist Raum, weil § 3 Abs. 1 AG-KJHG die Geltung der Gemeindeordnung zugunsten des SGB VIII und des AG-KJHG einschränkt. Der Landesgesetzgeber hat den nach § 5 Abs. 1 Nr. 7 AG-KJHG bestellten Vertretern der Religionsgemeinschaften innerhalb des Jugendhilfeausschusses einen besonderen, auf die Beratung beschränkten Einfluss auf die Willensbildung zugewiesen. Hiermit sollten gerade die besondere Sachkunde solcher Vertreter und auch die Interessen der Religionsgemeinschaften Berücksichtigung finden. Dabei ist vorausgesetzt, dass vor allem die kirchlichen Religionsgemeinschaften in der Regel im Bereich der Jugendhilfe selbst Einrichtungen betreiben und deshalb von der Jugendhilfeplanung betroffen sind. Damit verträgt es sich nicht, diese Betroffenheit als Ausschließungsgrund anzusehen und die bestellten Vertreter der Kirchen im Jugendhilfeausschuss nach § 31 GO NRW allein deswegen von der Mitwirkung auszuschließen, weil sie der Kirchengemeinde, die von der Angelegenheit berührt wird, als Vorstandsmitglieder oder als entgeltlich Beschäftigte angehören. Die Regelungen insbesondere des § 31 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 GO NRW können nur in besonders gelagerten Fällen von Interessenkollisionen zur Anwendung gelangen. Eine derartige Interessenkollision wird im Rahmen der finanziellen Förderung von Einrichtungsträgern dann anzunehmen sein, wenn es um eine gezielte Förderung des von dem jeweiligen Mitglied vertretenen Rechtsträgers als Empfänger von bestimmten Leistungen geht. Sobald allein spezielle Interessen eines einzelnen Einrichtungsträgers zur Diskussion stehen, ist der Vertreter des Trägers grundsätzlich als befangen anzusehen. Nach diesem Maßstab war der Kläger nicht befangen.

Die Bedarfsfeststellung auf der Grundlage der örtlichen Jugendhilfeplanung bzw. die Entscheidung des Jugendhilfeausschusses darüber, welche in der Anlage zu § 19 Abs. 1 des zum 1. August 2008 in Kraft getretenen Kinderbildungsgesetzes (KiBiz) genannten Gruppenformen mit welcher Betreuungszeit in den Einrichtungen angeboten werden, hat zwar maßgebliche Bedeutung für den Finanzierungs- und Förderanspruch des Trägers der Einrichtung (§§ 21 Abs. 1 Satz 1, 19, 18 KiBiz).

Siehe dazu OVG NRW, Beschluss vom 26. Juni 2008 - 12 B 799/08 -, juris, Rn. 6 ff.

Gleichwohl ist nach den Besonderheiten des vorliegenden Streitfalls keine Auswirkung in Bezug auf den Kläger festzustellen, die über die vom Gesetzgeber vorausgesetzte typische Betroffenheit eines Vertreters einer Religionsgemeinschaft hinausgeht. Ein zum Ausschluss des Klägers von der Mitwirkung an der Beratung vom 10. März 2009 führendes individuelles Sonderinteresse liegt hier nicht vor. Nach der Praxis der Verwaltung des Jugendamtes waren zum Zeitpunkt der Sitzung des Jugendhilfeausschusses am 10. März 2009 der Vorschlag für die Bedarfsfeststellung und die Zuordnung der Gruppenformen und Plätze für alle Kindertageseinrichtigen im Stadtgebiet bereits weitgehend mit den Trägern der Einrichtungen abgestimmt. Die wenigen strittig gebliebenen Fälle betrafen keine Kindertageseinrichtungen, deren Träger der Kläger vertrat. Bei dieser Sachlage ist der Beratungsgegenstand am 10. März 2009 als Gesamtplanung anzusehen. Die Möglichkeit eines unmittelbaren Vorteils oder Nachteils des Trägers der Einrichtung ist solange zu verneinen, bis in der konkreten Entscheidungslage erkennbar wird, dass der einzelne Einrichtungsträger etwa von einem Interessenkonflikt zwischen mehreren konkurrierenden Einrichtungsträgern selbst berührt wird. Eine solche Entscheidungssituation lag jedoch für die Kirchengemeinde, die der Kläger vertrat, nicht vor. Insoweit betraf die Beratung nur noch allgemein die Bedarfsfeststellung.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 1 zweiter Fall VwGO entsprechend. Der mit seiner Klage gegen die Beklagten zu 1. unterlegene Kläger und die im Prozessrechtsverhältnis zum Kläger unterlegene Beklagte zu 2. haben jeweils die Hälfte der Gerichtskosten und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung bzw. Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen (vgl. § 162 Abs. 1 VwGO) des im jeweiligen Prozessrechtsverhältnis obsiegenden Beteiligten zu tragen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.

Die Entscheidung über die Zulassung der Berufung beruht auf § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Die Frage, ob in Fällen der vorliegenden Art ein Mitwirkungsverbot besteht oder nicht, hat grundsätzliche Bedeutung.