Datenbank zur Rechtsprechung im Kommunalrecht
Diese Entscheidung

Mieter kann nicht gegen Straßenumbenennung klagen

OVG Münster, Urteil vom 21.07.1995 - Az.: 23 A 3493/94

Leitsätze:
Gegen die Umbenennung einer Straße und Neuvergabe einer Hausnummer steht dem Mieter eines betroffenen Gebäude(teil)s normalerweise keine Klagebefugnis zu. (Leitsatz des Herausgebers)

Kategorien:

Volltext

Gründe

(...)

Unbeschadet dessen ist die Klage gegen den Beschluss des Beklagten, die Straße ... in ... umzubenennen, jedenfalls deshalb unzulässig, weil dem Kläger für die Anfechtung dieses Verwaltungsakts die gemäß § 42 Abs. 2 VwGO erforderliche Klagebefugnis fehlt. Er kann nicht geltend machen, durch die angegriffene Straßenumbenennung nebst Hausnummernneuvergabe in eigenen Grundrechten oder einfach-gesetzlichen Normen verletzt zu sein.

Es kann offenbleiben, ob die Änderung der Zuordnung des Grundstücks zu einer Straße und der Hausnummer die grundgesetzliehe Gewährleistung des Eigentums berührt.

Verneinend: BVerwG, Beschluss vom 25.02.1966 - IV B 243.65 -, Buchholz 11 Art. 14 GG Nr. 73.

Denn der Kläger ist weder Eigentümer des unter anderem betroffenen Grundstücks ... (früher: ...) noch steht ihm ein eigentumsähnliches dingliches Recht an dem Grundstück zu. Die Straßen(um)benennung, die in Nordrhein-Westfalen im Ermessen der Gemeinden aufgrund ihres Selbstverwaltungsrechts steht und auch ordnungsrechtliche Funktionen hat

- vgl. OVG NW, Beschlüsse vom 31.08.1979 - XV A 368/79 -, S. 3 des amtlichen Entscheidungsabdrucks, und vom 15.01.1987 - 15 A 563/84 -, a.a.O., 2696 m.w.N.-,

betrifft den Namen der Straße und nicht die Anlieger, d.h. die Eigentümer angrenzender Grundstücke.

Eine Straßen(um)benennung ist erst recht nicht an die Anwohner gerichtet, d.h. an einem an die Straße grenzenden Grundstück nur obligatorisch berechtigte Mieter oder Pächter bzw. sich aufgrund verwandtschaftlicher Beziehungen oder aus sonstigen Gründen dort aufhaltende Personen. Bloßen Anwohnern stehen keine eigenständigen grundstücksbezogenen Rechtspositionen - auch nicht nach nordrhein-westfälischem Landesrecht - zu.

So ausdrücklich zum Berliner Landesrecht: OVG Berlin, Beschluss vom 01.02.1994 - 1 S 118/93 -, LKV 1994, 298.

Sonstige Grundrechte des Klägers können bei der hier gegebenen Sachlage ebenfalls nicht tangiert sein. Eine mögliche Wohnanschrift ist nicht Bestandteil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. l Abs. 1 GG.

Vgl. OVG NW, Beschluss vom 15.01.1987 - 15 A 563/84, a.a.O., 2696; siehe zur Änderung der postalischen Zustellanschrift eines Ortsteils: BVerwG, Beschluss vom 21.07.1983 - 7 B 99.83 -, NVwZ 1984, 36.

Der Kläger kann auch nicht geltend machen, seine allgemeine, durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistete Handlungsfreiheit werde durch die angegriffene Straßenumbenennung tangiert. Zwar ergeben sich hieraus unter Umständen die Pflichten, Ausweispapiere durch die zuständigen Behörden ändern zu lassen und die neue Anschrift sonstigen Behörden mitzuteilen, auch mag im Einzelfall die Notwendigkeit bestehen, Briefbögen bzw. Visitenkarten neu drucken zu lassen.

Vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteile vom 13.11.1978 - 1 S 1558/78 -, DVBl 1979, 527 (528), und vom 12.05.1980 - 1 S 3964/78 -, NJW 1981, 1749 (1750).

Etwaige Handlungs- und Mitteilungspflichten oder sonstige Obliegenheiten knüpfen jedoch lediglich an die Tatsache einer geänderten Anschrift an, ohne dass es auf den Grund der Änderung und deren Rechtmäßigkeit ankäme. Der Eingriff in die grundgesetzlich geschützte Freiheitssphäre besteht daher allein in der Auferlegung der betreffenden Pflichten selbst. Dagegen kommt den Umständen, die diese Plichten aktualisieren, unter dem Gesichtspunkt des Art. 2 Abs. 1 GG kein eigener Eingriffswert zu.

Vgl. OVG NW, Beschluss vom 15.01.1987 - 15 A 563/84 -, a.a.O.

Die wirtschaftlichen Folgen einer Straßen(um)benennung für den Anwohner begründen ebenfalls keine rechtliche Betroffenheit, insbesondere nicht unter dem Blickwinkel etwaig entzogener Rechtspositionen.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 25.02.1966 - IV B 243.65 -, a.a.O.

Die Frage ob sich der nicht durch Art. 14 GG geschützte Anwohner unter Berufung auf Art. 2 Abs. 1 GG wegen einer behaupteten Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts gegen die Wahl eines anstößigen Straßennamens wehren kann

- vgl. hierzu den vorzitierten Beschluss des erkennenden Gerichts und Brugger, Öffentliches Recht: Die anstößige Straßenumbenennung, JuS 1990, 666 ff.-

bedarf vorliegend keiner Entscheidung, da ein solcher Sachverhalt hier evident nicht gegeben ist.

Das vorstehend Dargelegte gilt sinngemäß auch für die infolge der Straßenumbenennung erfolgte Hausnummernneuvergabe. Die Pflicht eine neue Hausnummer anzubringen, trifft nur den Grundstückseigentümer (vgl. § 126 Abs. 3 Satz 1 BauGB).